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Den Start ins Leben begleiten

Seit fünfunddreissig Jahren betreut die Hebamme Anna Heldstab Indermaur aus Berneck Schwangere, Gebärende und Mütter im Wochenbett. Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen.

Anna Heldstab Indermaur, MSc, führt eine Hebammenpraxis in Berneck SG.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf besonders?
Anna Heldstab Indermaur:
Jede Schwangere, jedes Baby und jede Familie ist einzigartig und braucht eine individuelle Begleitung. Mein Beruf ist nie langweilig: Neben geduldigem Ausharren und kontinuierlicher Ermutigung lockt die Herausforderung des Unvorhergesehenen. Ausserdem sind neben Köpfchen, Sozialkompetenz, Einfühlungsvermögen und manuellem Geschick auch Humor, Muskelkraft und eine Portion Fitness ganz nützlich.

An welche Glücksmomente erinnern Sie sich speziell gerne?
Da gibt es viele. Ich erlebe jede Geburt als einen Glücksmoment und empfinde jedes Mal ein Gefühl von grosser Dankbarkeit, wenn alles gut gegangen ist. Befriedigend ist für mich aber auch, wenn ich bei häufig auftretenden Problemen helfen kann, wie zum Beispiel bei Startschwierigkeiten mit dem Stillen.

Wie gehen Sie mit schwierigen Momenten um?
Wenn ein Kind vor oder während der Geburt stirbt, schwingen meine Emotionen ebenso wie bei den Glücksmomenten voll mit. Ich empfinde grosse Trauer und nehme Anteil am Schicksal der Familie.

Haben die Ansprüche der werdenden Mütter sich in den letzten Jahrzehnten verändert?
Schwangere von heute haben höhere Ansprüche. Gleichzeitig ist aber auch die Professionalität der Fachpersonen gestiegen. Mir fällt auf, dass werdenden Müttern heute nicht nur in der Schwangerschaft, sondern auch unter der Geburt und im Wochenbett viele Optionen offenstehen. Die über die sozialen Medien verbreitete Informationsflut macht Entscheidungen nicht leichter.

Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Tipps für eine Schwangerschaft?
Grundsätzlich sollten Schwangere bei der Auswahl einer Hebamme oder Gynäkologin immer auf ihr Bauchgefühl hören und die Fachperson wechseln, wenn sie sich nicht gut aufgehoben fühlen. Ich empfehle vor allem eine gesunde und biologische Ernährung und regelmässige Bewegung.
Schwangere sollten sich möglichst früh eine Hebamme für die Betreuung im Wochenbett suchen, die ihnen beratend zur Seite steht, da viele Fachfrauen Monate im Voraus ausgebucht sind.

Viele werdende Mütter haben Angst vor der Geburt. Was raten Sie hier?
Ich frage immer nach, was ihnen genau Angst macht. Respekt vor der Geburt zu haben, ist in Ordnung, weil sie mit grossen Veränderungen verbunden ist. Fürchtet sich eine Schwangere vor Geburtsverletzungen, zeige ich auf, wie sich das Risiko reduzieren lässt.
Schwangere können durch ihre Ernährung die Gewichtszunahme beim Ungeborenen beeinflussen. In der zweiten Hälfte der Schwangerschaft ist der Fötus in der Lage, Insulin herzustellen. Wenn der Blutzucker der Mutter ständig erhöht ist, nimmt das Kind meist übermässig zu. Ein hohes Gewicht des Ungeborenen verlängert die Schwangerschaft und die Geburt und verursacht vergleichsweise mehr und grössere Verletzungen.
Frauen, die grosse Angst vor der Geburt haben, empfehle ich einen HypnoBirthing-Kurs zusammen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin, der diese befähigt, der Gebärenden als Coach oder Coachin beizustehen.
Nicht zuletzt kläre ich meine Kundinnen auch über die medizinischen Möglichkeiten zur Schmerzlinderung auf.

Welche Tipps geben Sie Müttern für die erste Zeit nach der Geburt?
Werdende Eltern sollten sich auf diese Zeit gut vorbereiten und vor allem überlegen, wer sie in den ersten drei Wochen im Haushalt unterstützen kann. Möchten sie weder Verwandte noch Freundinnen und Freunde um Hilfe bitten, können die Spitex oder eine Haushaltshilfe helfen. Manche Krankenkassen übernehmen einen Teil dieser Kosten.
Frischgebackene Eltern sollten den Besuch gut portionieren. Viele Frauen sind direkt nach der Geburt in einem emotionalen Hoch und vertragen auch unliebsamen Besuch im Spital besser, als wenn sie wieder zu Hause sind und sich an die neue Situation gewöhnen müssen.
In den ersten sechs bis zehn Wochen sollte die Mutter keine schweren Lasten, also maximal ihr Baby, tragen. Ein Neugeborenes in der Babyschale überschreitet das für die ersten zwei bis drei Wochen nach der Geburt empfohlene Maximalgewicht deutlich.
Da der Schlaf am Anfang zu kurz kommt, sollten Mütter tagsüber möglichst oft schlafen oder sich die Betreuung des Babys in der Nacht mit dem Lebenspartner oder der Lebenspartnerin aufteilen.

Schwanger werden: So gelingt es besser

Nicht allen Frauen gelingt es, auf Anhieb schwanger zu werden. Hier einige Tipps, die dazu beitragen können, die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen:

  • Manche Infektionskrankheiten, Geschlechtserkrankungen oder Stoffwechselstörungen beeinflussen die Fruchtbarkeit der Frau negativ. Deshalb sollten sie behandelt werden.
  • Stress und Erfolgsdruck sind kontraproduktiv. Geduld und Gelassenheit wirken oft Wunder!
  • Genügend Bewegung und eine gesunde, mikro-nährstoffreiche Ernährung bereiten den Körper optimal auf eine Schwangerschaft vor.
  • Alkohol und Koffein nur gelegentlich und in kleinen Mengen geniessen, Nikotin ist tabu!
  • Nicht zu lange warten: Mit dem Alter nimmt die Fruchtbarkeit der Frau ab.
  • Ovulationstests aus der Apotheke ermöglichen es, den genauen Zeitpunkt der Empfängnisbereitschaft zu definieren.
  • Heute gibt es zahlreiche medizinische Möglichkeiten, einen Kinderwunsch zu unterstützen.