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Gesunde Schwefelbäder

Was nach faulen Eiern riecht, kann auch heilen: Schwefelbäder werden seit vielen Jahrhunderten bei verschiedensten Erkrankungen eingesetzt.

Schwefel sticht sowohl ins Auge wie in die Nase. Reiner Schwefel (S) hat eine leuchtend gelbe Farbe. Gold zum Verwechseln ähnlich ist die Verbindung des chemischen Elements mit Eisen: Pyrit (FeS2); das Mineral wird daher auch Katzengold genannt. Viele Schwefelverbindungen zeichnen sich durch einen charakteristischen Geruch aus. Schwefelwasserstoff (H2S) riecht nach gekochten beziehungsweise faulen Eiern; das Gas ist neben anderen Schwefelverbindungen auch Ursache des Mundgeruchs. Positiv nehmen viele den Schwefelgeruch wahr, wenn er ihnen von Heilbädern entgegenweht; doch davon später.

Auch ein altes Heilmittel

«Alte, bringe mir Feuer und fluchabwendenden Schwefel, dass ich den Saal durchräuchre», sagt Odysseus zur Pflegerin Eurykleia, als er ein Haus desinfizieren lässt. Die keimabtötenden Eigenschaften des gelben Elements nutzten die Römer zur Haltbarmachung von Wein. Auch Trockenobst und Meerrettich wurden durch Schwefelung konserviert. Als Heilmittel war Schwefel schon im alten China und in Griechenland im Einsatz. Schwefelhaltige Quellen im Jordantal und um das Tote Meer werden seit römischer Zeit für Heilbehandlungen genutzt.

Für viele Krankheiten

Schwefelbäder enthalten gelösten Schwefelwasserstoff (H2S) beziehungsweise Hydrogensulfide und Sulfide. Die Bäder wirken durchblutungsfördernd, entzündungshemmend, keratolytisch (hautschälend), antimikrobiell (gegen Bakterien und Pilze) sowie gegen Parasiten. Zu den traditionellen Anwendungsgebieten gehören Akne, Kleienflechte (Pityriasis versicolor, Hautpilz-erkrankung), Seborrhö (übermässige Talgabsonderung der Haut), Schuppen, Krätze (Skabies), Ekzeme, Pilzinfektionen und Rosazea (chronisch entzündliche Hauterkrankung des Gesichts). Schwefelbäder werden bei rheumatischen Erkrankungen, bei Arthrose, Gicht, Muskelschmerzen, Fibromyalgie sowie bei Hauterkrankungen wie Psoriasis, atopischem Ekzem, Akne und Seborrhö angewendet. Ein Schwefelbad sollte nicht länger als zwanzig Minuten dauern. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören aufgrund der irritierenden Eigenschaften des Schwefels lokale Reaktionen wie Hautreizungen. Der starke Geruch von elementarem Schwefel bleibt lange auf der Haut haften.

Wer keine Schwefelbäder nehmen sollte

Da die Bäder meist 37 bis 39 Grad warm sind, sollten sie jene Personen meiden, denen von Vollbädern abgeraten wird. Dies ist unter anderem der Fall bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie bei fieberhaften und infektiösen Erkrankungen, bei Hautverletzungen und -erkrankungen. Auch bei einer Schwefelallergie oder -unverträglichkeit sollte auf Schwefelbäder verzichtet werden. Bei hohen Konzentrationen von H2S im Wasser ist zudem bei akuter rheumatoider Arthritis Vorsicht geboten.

Ein 70 kg schwerer Mensch enthält
etwa 150 g Schwefel.

Ebenso sollte das Wasser nicht in die Augen und auf Schleimhäute gelangen. Zudem sollten Schwangere, Stillende und Kleinkinder von Schwefelbädern absehen.

Badekultur in der Schweiz

Mit den Römern kam auch die Bäderkultur in unser Land. Erste belegte antike Schwefelbäder sind Lostorf, Yverdon-les-Bains und vermutlich Alvaneu Bad. «Das 19. Jahrhundert ist das goldene Zeitalter der Bäder», hält Quirinus Reichen fest. «Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die meisten geschlossen.» Wer heute nach Badegelegenheiten mit Schwefelwasser sucht, findet sie in Andeer (GR), Bad Schinznach (AG; die stärkste Schwefelquelle), Heiden (AR), Bad Serneus (GR), Lenk (BE), Lostorf (SO), Luchsingen (GL; Wanderweg mit Badewanne), Samedan (GR), Schwefelberg-Bad (BE) und Yverdon-les-Bains (VD). Verschiedene Krankenversicherer leisten Beiträge bei Erholungskuren und/oder Badekuren im Halbprivat-/Privatbereich (kuren.ch > Downloads).

Ein Schwefelbad lässt sich auch in aller Ruhe zu Hause geniessen, wobei die gleichen Ratschläge und Vorsichtsmassnahmen wie bei öffentlichen Schwefelbädern gelten. Entsprechende Produkte (medizinische Schwefelbäder) sind in Apotheken zu finden.

Facts zu Schwefel

  • Schwefel ist ein lebenswichtiger Mineralstoff. In pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln ist Schwefel Bestandteil der essenziellen Aminosäuren Cystin, Cystein und Methionin. Schwefel findet sich auch in vielen Enzymen und Coenzymen.
  • Schwefelhaltige Aminosäuren kommen reichlich in den Zellen des Immunsystems, der Haut und vor allem im Keratin (Haare, Nägel) vor.
  • Ein 70 kg schwerer Mensch enthält etwa 150 g Schwefel.
  • Schwefelverbindungen zeichnen sich durch einen charakteristischen Geruch aus. Beispiele: Stinktier, Kaffee, Cassis, viele Früchte, Spargel.
  • Reich an nicht proteingebundenem Schwefel sind geröstete Erdnüsse (365 mg/100 g) und Parmesan (340 mg/100 g) sowie Kakaopulver, Haferflocken, Sojamehl und Haselnüsse (je etwa 200 mg/100 g).
  • Milch enthält 330 mg/100 g.
  • Schwefel wird auch für die Herstellung von Düngemitteln, Schwefelzündhölzern und für das in China erfundene Schwarzpulver, das heute vor allem noch für Feuerwerkskörper eingesetzt wird, verwendet.
  • Fossile Brennstoffe enthalten grössere Mengen an Schwefel. Beim Verbrennen wird das giftige Schwefeldioxid (SO2) freigesetzt (Luftverschmutzung, saurer Niederschlag).