Antibiotikaresistenzen

Oder wenn Antibiotika nicht mehr wirken

TEXT: MARTINA TSCHAN UND SAMANTHA MEGEL, SCHWEIZERISCHER APOTHEKERVERBAND PHARMASUISSE

Weltweit sind Antimikrobielle Resistenzen (AMR), also Resistenzen gegen Antibiotika, eine der gröss-ten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit. Antibiotikaresistenz bedeutet, dass Bakterien weniger oder gar nicht mehr auf Antibiotika ansprechen. Damit Antibiotika als Akutmedikamente wirksam bleiben, müssen wir verantwortungsvoll damit umgehen – zum eigenen Schutz und dem aller.

Die Entdeckung von Penicillin als erstes Antibiotikum im Jahr 1941 war ein bahnbrechender Durchbruch. Seitdem gehören Antibiotika zu den bedeutendsten Errungenschaften der modernen Medizin. Dank ihnen können bakterielle Infekte, wie beispielsweise eine Nierenbeckenentzündung, wirksam behandelt oder chi-rurgische Eingriffe und Organtransplantationen sicher durchgeführt werden. Sie schützen zudem Krebs-kranke mit einem geschwächten Immunsystem aufgrund einer Chemotherapie und Menschen, die wegen einer Autoimmunkrankheit immunsupprimierende Medikamente einnehmen müssen.

Mittlerweile sind Antibiotika aber Segen und Fluch zugleich. Durch den zu häufigen und nicht immer zwin-gend nötigen Antibiotikaeinsatz entstehen vermehrt Antibiotikaresistenzen. Dies führt dazu, dass es bei einer ernsthaften bakteriellen Erkrankung für Patientinnen und Patienten kein wirksames Medikament mehr gibt und gewisse Infekte bei Menschen und Tieren nur noch schwer oder gar nicht mehr behandelt werden können. Auch andere Faktoren fördern die Antibiotikaresistenz, z.B. dicht besiedelte Gebiete wie Metropolen oder die Übertragung resistenter Keime durch Reisen sowie die Verwendung von Antibiotika bei Nutztieren, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Und schliesslich auch die Ausbreitung von resistenten Bak-terienstämmen unter uns Menschen.

Ursachen und Übertragungswege von antibiotikaresistenten Bakterien

Gemäss Schätzungen verursachen Antibiotikaresistenzen weltweit jährlich fast 1.3 Millionen Todesfälle. Laut einer aktuellen Studie (Lancet 2024; 404: 1199–226) soll sich diese Zahl bis 2050 nahezu verdoppeln. D.h. zwi-schen 2025 und 2050 könnten 39 Millionen Menschen weltweit sterben, weil sie nicht mehr mit den zur Ver-fügung stehenden Antibiotika behandelt werden können.

Situation und Verbesserungspotenzial in der Schweiz

In der Schweiz sterben schätzungsweise 300 Menschen pro Jahr an Infektionen mit resistenten Erregern. Im europäischen Vergleich gehört die Schweiz weiterhin zu den Ländern mit dem niedrigsten Antibiotikaver-brauch. Gemäss dem «Swiss Antibiotic Resistance Report 2024» ist in der Schweiz der Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin – nach einem deutlichen Rückgang während der Covid-19-Pandemie – in den letzten Jahren aber wieder angestiegen. Um die Wirksamkeit der Antibiotika zu erhalten, sind ein sachgemässer An-tibiotikaeinsatz und weitere präventive Massnahmen zwingend notwendig. Seit 2015 setzt sich der Bund mit der «Strategie Antibiotikaresistenzen» (StAR-Strategie) für einen sorgfältigen und geringeren Einsatz von Antibiotika ein. Dazu wird der Verkauf und Einsatz von Antibiotika überwacht und analysiert.

Die Analyse aus dem Jahr 2024 zeigt: Vor allem im ambulanten Bereich gibt es in der Schweiz Verbesse-rungspotenzial. Der Grossteil der Antibiotika (87 %) wird im ambulanten Bereich (v.a. in Arztpraxen) und nur ein kleiner Teil (13 %) in Spitälern eingesetzt. Es wird geschätzt, dass rund die Hälfte aller Antibiotikaverschrei-bungen in der ambulanten Versorgung möglicherweise vermeidbar wären. Dies, weil diese Infektionskrank-heiten entweder durch Viren ausgelöst werden oder trotz bakteriellen Ursprungs keiner Antibiotikatherapie bedürfen, da sie zum Beispiel von selbst wieder abklingen, ohne dass eine spezifische medizinische Behand-lung notwendig ist. Zudem hat eine schweizweite Untersuchung aus dem Jahr 2017 (J Antimicrob Chemother 2017 Nov 1;72(11):3205-3212) ergeben, dass 80 Prozent aller Antibiotika für nur fünf Infektionskrankheiten verordnet werden, nämlich für Angina (akute Mandelentzündung), einfache Harnwegsinfektion, Mittelohr-entzündung oder akute Nasennebenhöhlenentzündung (Rhinosinusitis) und akuter ansteckender Husten. Gerade bei diesen Krankheiten sind die meisten aber viralen Ursprungs und gewisse bakterielle Erkrankun-gen heilen auch ohne Antibiotika.

Leisten auch Sie Ihren Beitrag im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen:

Klären Sie die Notwendigkeit einer Antibiotika-Therapie mit einer medizinischen Fachperson.

  • Antibiotika wirken gegen Bakterien, sind aber nicht immer nötig (zum Beispiel bei einer unkompli-zierten Blasenentzündung).
  • Antibiotika sind nutzlos gegen Viren (zum Beispiel bei Erkältungen, Grippe).
  • Antibiotika können Nebenwirkungen haben.

Nehmen Sie Antibiotika nur ein, wie von der Ärztin oder vom Arzt verschrieben.

  • Halten Sie sich an die verschriebene Dosierung und Behandlungsdauer.
  • Lassen Sie keine Einnahme aus.
  • Bei Nebenwirkungen melden Sie sich in Ihrer Arztpraxis, Zahnarztpraxis oder Apotheke.

Bringen Sie übrige Antibiotika in die Apotheke oder Arztpraxis zurück.

  • Bewahren Sie übrige Antibiotika nicht zu Hause auf.
  • Verwenden Sie Antibiotika nicht bei anderen Erkrankungen.
  • Teilen Sie Antibiotika nicht mit anderen Personen.
  • Entsorgen Sie Antibiotika nicht im Hausmüll oder dem Abwasser.

Antibiotika: Nutzen wir sie richtig, es ist wichtig.

Antibiotika richtig anwenden – Ihre Apotheke unterstützt Sie

Apothekerinnen und Apotheker spielen eine wichtige Rolle bei der korrekten Anwendung von Antibiotika. Sie beraten Sie kompetent, ob ein Antibiotikum notwendig ist und wie Sie es korrekt einnehmen. So lassen sich Therapieabbrüche vermeiden und Resistenzen vorbeugen. Apothekerinnen und Apotheker kontrollieren die verschriebenen Medikamente und gleichen diese mit bestehenden Medikationen auf ungünstige Wechsel-wirkungen ab. Gegebenenfalls halten sie Rücksprache mit der behandelnden Ärztin / dem behandelnden Arzt. Apothekerinnen und Apotheker beraten Sie fachkundig zu möglichen Nebenwirkungen und unterstüt-zen Sie bei deren Behandlung. Die Apothekenteams bereiten auch Antibiotikasirup für Kinder zu und neh-men angebrochene Packungen entgegen und entsorgen diese vorschriftsgemäss.

Wie gesagt, erfordert nicht jede Erkrankung automatisch ein Antibiotikum. Viele Infekte, etwa Erkältungen oder Grippe, lassen sich mit alternativen Therapieformen symptomatisch behandeln. Ihr Apothekenteam berät Sie gerne über mögliche Alternativen: Bei leichten Harnwegsinfekten können z. B. pflanzliche Präpara-te, viel Flüssigkeit und Wärme helfen. Auch bei Atemwegsinfekten gibt es unterstützende Mittel zur Linde-rung – von Inhalationen über pflanzliche Hustensäfte bis zu schmerzstillende Präparate.

Fazit: Die Apotheke ist Ihre erste Anlaufstelle für eine sichere, persönliche und verantwortungsvolle Gesundheitsberatung – mit oder ohne Antibiotikum.

«Handeln Sie jetzt: Schützen Sie unsere Gegenwart, sichern Sie unsere Zukunft»
vom 18. – 24. November 2025 ist wieder World AMR Awareness Week (WAAW).

Das Ziel der nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) ist, mit dieser Aktionswoche das Bewusstsein für die Herausforderungen der Antibiotikaresistenz zu schärfen und einen verantwortungsvollen Antibio-tikaeinsatz zu fördern. Im Sinne des diesjährigen internationalen Themas «Act Now: Protect Our Present, Secure Our Future» will sie damit erneut für die Problematik sensibilisieren und die Bevölkerung und Fachpersonen dazu ermutigen, Massnahmen gegen die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu ergrei-fen.

Auf star.admin.ch finden Sie viele interessante und nützliche Informationen zu Antibiotikaresistenzen und zur Aktionswoche.

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