Die Apotheke als erste Anlaufstelle
Eine Chance für Sie und unser Gesundheitssystem
TEXT: MARTINA TSCHAN, SCHWEIZERISCHER APOTHEKERVERBAND PHARMASUISSE
Unser Gesundheitssystem gerät zunehmend an seine Grenzen – überfüllte Notfallstationen, überlastete Hausarztpraxen und zu wenige Fachkräfte gehören mittlerweile zum Alltag. Dabei gibt es eine kompetente und effiziente erste Anlaufstelle, deren Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist: die Apotheke. Diese bietet Ihnen eine unkomplizierte medizinische Erstversorgung und fachkundige Beratung und Behandlung.
Wussten Sie, dass ein grosser Teil der Behandlungen in Notfallstationen auf Beschwerden entfällt, die gar keine echten Notfälle sind? Halsschmerzen, Insektenstiche, oder einfache Blasenentzündungen können häufig – und günstiger – direkt in der Apotheke behandelt werden. Dennoch führt der Weg vieler Patientinnen und Patienten weiterhin ins Spital. Das belastet nicht nur die Notfallstationen, sondern verursacht auch hohe Gesundheitskosten. Apotheken könnten einen grossen Teil dieser Bagatellfälle auffangen – schnell, professionell und wohnortsnah. Denn Apotheken sind weit mehr als nur Medikamentenabgabestellen und sollten noch besser in die medizinische Grundversorgung eingebunden werden.
Ob Magenverstimmung, Hautausschlag oder kleine Verletzung: Viele Beschwerden müssen nicht zwingend ärztlich behandelt werden. In der Apotheke erhalten Sie als Patientin oder Patient schnelle Hilfe – und dies ohne Wartezeiten. Dank ihrer fundierten akademischen Aus- und Weiterbildung und spezieller Fortbildungen (z. B. Anamnese in der Grundversorgung) sind Apothekerinnen und Apotheker bestens darauf vorbereitet, Ihren Gesundheitszustand kompetent einzuschätzen und eine Erstbehandlung durchzuführen. Falls nötig, werden sie Sie zudem an eine Ärztin oder einen Arzt oder direkt an den Not-falldienst weiterweisen. Diese Triage-Funktion ist entscheidend und entlastet das Gesundheitssystem.
«Zwei Drittel der Bevölkerung wissen immer noch nicht, dass sie manche rezeptpflichtigen Medi-kamente auch ohne Arztrezept in der Apotheke erhalten.»
Was heute (noch) fehlt: die richtige Unterstützung
Trotz aller Vorteile übernehmen Krankenkassen die Kosten für solche Leistungen in der Apotheke bislang kaum. Das heisst: Viele Patientinnen und Patienten zahlen die Behandlung aus eigener Tasche – obwohl ein Besuch in der Apotheke das System entlastet. Gerade wenn Sie die Franchise bereits ausgeschöpft haben, haben Sie oft einen finanziellen Anreiz, direkt die Notfallstation aufzusuchen. Das ist weder sinnvoll noch nachhaltig. Deshalb fordern die Apothekerinnen und Apotheker – unterstützt von ihrem Dachverband pharmaSuisse – klare gesetzliche Grundlagen: Erstbehandlungen in Apotheken, nach vertiefter Triage, sollen anerkannt und durch die Grundversicherung vergütet werden. Ebenso wäre es sinnvoll, dass Apothekerinnen und Apotheker bei klar definierten Beschwerden auch Arbeitsunfähigkeitszeugnisse ausstellen dürfen. Damit wird die Apotheke zur echten Alternative als erste Anlaufstelle bei Gesundheitsanliegen.
Ein besonders wichtiger Bereich, in dem Apotheken heute schon viel leisten, ist die Prävention. In allen Kantonen kann sich die Bevölkerung direkt in der Apotheke impfen lassen – sei es gegen Grippe, Zecken oder Hepatitis. Das spart Zeit, steigert die Impfquote und entlastet wiederum die Arztpraxen. Momentan müssen Sie als Kundin oder Kunde das Impfen in der Apotheke leider noch selbst bezahlen. Ab 2027 sollte diese Dienstleistung dann aber endlich von den Krankenkassen übernommen werden.
Die Schweizer Bevölkerung hat grosses Vertrauen in die Apotheken und sieht in ihnen eine wichtige erste Anlaufstelle
Eine soeben durchgeführte repräsentative Umfrage zeigt, dass Apotheken in der Bevölkerung hohes Vertrauen geniessen und die Apotheke oft die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen ist. Sie werden sogar häufiger aufgesucht als Hausarztpraxen – besonders bei kleineren Beschwerden, für rezeptfreie Medikamente oder medizinische Hilfsmittel. Viele schätzen die unkomplizierte und schnelle Hilfe direkt vor Ort, ohne Termin. Auch wenn bei unklaren Symptomen noch oft der Hausarzt gewählt wird, zeigt sich die Bedeutung der Apotheken doch deutlich: Ein Drittel der Bevölkerung hat im letzten Jahr dank der Beratung in einer Apotheke auf einen Arztbesuch verzichtet.
Das Dienstleistungsangebot der Apotheken kommt gut an: 83 Prozent der Bevölkerung finden es angemessen. Trotzdem wird bisher vor allem die Medikamentenabgabe genutzt. Viele wissen noch wenig über andere Angebote wie Gesundheitsberatungen oder Vorsorgekontrollen – obwohl das Interesse daran gross ist.
Seit 2019 dürfen Apothekerinnen und Apotheker unter bestimmten Bedingungen auch rezeptpflichtige Medikamente ohne ärztliches Rezept abgeben. Leider wissen dies immer noch zwei Drittel der Bevölkerung nicht. Es besteht nach wie vor Aufklärungsbedarf.
Auch bei Impfungen ist das Potenzial hoch: Würden Krankenkassen die Kosten übernehmen – ohne vorherigen Arztbesuch – wären 74 Prozent bereit, sich in Apotheken impfen zu lassen.
Was hält die Bevölkerung davon ab, Apotheken häufiger zu nutzen? Häufig genannt wird die fehlende Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Dennoch wünschen sich viele mehr Kompetenzen für Apotheken: Jede zweite Person fände es gut, wenn Apotheken nach einer Beratung auch ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis ausstellen dürften. Zwei Drittel wären bereit, eine erste Einschätzung ihrer Symptome direkt in der Apotheke machen zu lassen – ein Angebot, das als sinnvoll und entlastend für das Gesundheitssystem gesehen wird. Die Umfrage zeigt deutlich den Wunsch der Bevölkerung, dass diese Erstbehandlung/Triage durch die Krankenkassen bezahlt wird. Drei Viertel der Befragten sprechen sich dafür aus.
«Das Interesse an Vorsorgeleistungen in der Apotheke ist viermal grösser als deren bisherige Nutzung.»
Fazit: Die Bereitschaft seitens Apotheken und Bevölkerung ist da
Apotheken sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen – und sie können es auch. Mit der Erstbehandlung einfacher medizinischer Fälle bieten sie eine kompetente, unkomplizierte und kosteneffiziente Ergänzung zur hausärztlichen Versorgung. Das entlastet Notaufnahmen, spart Kosten und verbessert den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle – schnell, zuverlässig und direkt vor Ort. Auch die Bevölkerung ist bereit, die Apotheke vermehrt als erste Anlaufstelle zu nutzen, wenn die Kosten übernommen werden. Nutzen Sie aber schon heute die Konsultation in der Apotheke – auch wenn Sie die Kosten noch selbst tragen müssen. Es lohnt sich – vor allem, wenn Sie Ihre Franchise noch nicht erreicht haben.

Newsletter
Jetzt anmelden!

