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ADHS: Energie ohne Ende

Manche Kinder sind wahre Energiebündel. Das kann für Eltern und Betreuer sehr anstrengend werden. Oft stellt sich dann die Frage: Liegt das feurige Temperament noch im Normbereich oder ist es bereits eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung?

ADHS ist die gängige Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Sie betrifft schätzungsweise fünf Prozent der Jungen und Mädchen in unserem Land mehr oder minder stark und beginnt schon im Kindesalter. Die Hauptmerkmale sind Unaufmerksamkeit (das Kind lässt sich leicht ablenken, verliert schnell die Lust an einer Tätigkeit oder geht Aufgaben meist unkonzentriert an), Unruhe (das Kind kann schlecht stillsitzen und hat einen grossen Bewegungsdrang) und Impulsivität (das Kind reagiert oft unkontrolliert, sehr spontan oder ungeduldig). Die Abgrenzung zwischen ADHS und grosser Lebhaftigkeit ist teilweise schwierig. Daher sollte immer eine spezialisierte ärztliche oder psychotherapeutische Praxis als Anlaufstelle dienen, denn dort kann der Sachverhalt professionell abgeklärt werden.

Die Geschichte von Jan
Jan hat zwei grosse Brüder, die vier und sechs Jahre älter sind als er. Schon sehr früh versuchte er, mit den beiden mitzuhalten und immer und überall wollte er mit von der Partie sein. Er war ein ausgesprochen aufgewecktes und wissbegieriges Kind, das aber gleichzeitig äusserst aktiv war und nur stillsitzen konnte, wenn ihn etwas wirklich fesselte. Für die Eltern zwar sehr anstrengend und herausfordernd, aber durchaus handhabbar und kein wirklicher Grund zur Sorge.
Im Kindergarten fiel Jan durch seine überbordende Unternehmungslust auf. Doch nicht nur das: Die Erzieherin hatte Mühe, ihn zu bändigen und ihn dazu zu bringen, sich auf verschiedenste Tätigkeiten zu konzentrieren. Der Verdacht kam auf, ob es sich hier vielleicht um ein ADHS handle. Jan wurde in Absprache mit den Eltern zur Abklärung zum kinderpsychiatrischen Dienst geschickt. In mehreren Sitzungen wurde das Kind ausgiebig getestet. Dabei kam heraus, dass der Junge zwar äusserst lebhaft sei, die Diagnose ADHS konnte jedoch nicht gestellt werden. Dafür kam eine Hochbegabung zum Vorschein und demzufolge wurde entschieden, dass Jan ein Jahr früher eingeschult werden sollte.
In der ersten und zweiten Klasse ging alles so weit gut: Jan war ausreichend beschäftigt und sein Bewegungsdrang hielt sich in Grenzen. Im Laufe der dritten Klasse ging dann aber alles wieder von vorne los. Es war manchmal nicht daran zu denken, das Kind über eine etwas längere Zeit ruhig zu halten. Sein Tatendrang führte bisweilen dazu, dass die ganze Klasse unruhig wurde und die Lehrerin völlig überfordert war. Die Schule zweifelte das Resultat der psychiatrischen Untersuchung aus dem Kindergarten an und Jan wurde auf Betreiben der Lehrerschaft ein zweites Mal auf ADHS getestet. Wiederum klar negativ! Je älter Jan aber wurde und je mehr er gefordert wurde, desto einfacher gestaltete sich die Situation. Heute ist das «Problemkind» von damals ein hochmotivierter, fröhlicher, besonnener und ausgeglichener Student, der immer noch vor Energie sprüht.

Die Folgen von ADHS
Das Beispiel von Jan zeigt, wie schwierig manchmal die Diagnose ADHS sein kann. Gerade deswegen ist eine äusserst sorgfältige Abklärung nötig, damit den Betroffenen richtig geholfen werden kann. Denn die Folgen einer ADHS können erheblich sein: Das Kind erscheint oft als störend, unmotiviert, chaotisch oder unkollegial und wird dadurch zum Aussenseiter. Ausserdem lernt es oft langsam und unsystematisch, was es ihm erschwert, in der Schule mitzuhalten.
Bei etwa vierzig Prozent der Kinder, die unter ADHS leiden, bleibt die Krankheit lebenslang bestehen. Allerdings verändert sich das Erscheinungsbild im Verlauf der Zeit. Ab der Pubertät verliert sich meist die überschiessende Motorik, dagegen bleiben Unkonzentriertheit und Unorganisiertheit sowie impulsives und unüberlegtes Verhalten in der Regel bestehen. Werden die ADHS-Symptome nicht behandelt, können gravierende Auswirkungen auf soziale Kontakte, berufliche Laufbahnen oder das seelische Gleichgewicht entstehen. Schön zu wissen, dass auch positive Eigenschaften Menschen mit ADHS auszeichnen: Sie können sehr kreativ sein und wenn sie sich für etwas begeistern, sind sie meist motiviert und leistungsstark bei der Sache. Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und werden häufig als sehr gefühlsvoll und hilfsbereit beschrieben.

So wird behandelt
ADHS wird manchmal etwas vorschnell diagnostiziert. Nicht in jedem Fall haben besonders aktive oder unruhige Kinder diese Krankheit. Eine sorgfältige Diagnose beinhaltet eine genaue Familienanamnese, körperliche Untersuchungen, Verhaltensbeobachtungen und Befragungen der Eltern, Bezugspersonen und Lehrpersonen, teilweise auch anhand von Fragebögen. Eine gesicherte Diagnose verhilft zu einer geeigneten Therapie. Oft wird nach einem Baukastenprinzip vorgegangen: Je nach Hauptsymptomen, der persönlichen Situation und dem Alter des Kindes können verschiedene Behandlungsmethoden einzeln oder kombiniert eingesetzt werden.

  • Wer gut über ADHS Bescheid weiss, kann besser damit umgehen. Deshalb liegt ein Schwerpunkt auf der Information der Angehörigen, weiterer betreuender Personen und der Erziehenden in Schulen oder Kindergärten.
  • In speziellen Trainingseinheiten lernen die oben erwähnten Personengruppen, die betroffenen Kinder besser zu verstehen und sie wo nötig zu unterstützen.
  • Durch Verhaltenstherapien erlernen die Kinder, ihr Auftreten und ihr Handeln spezifischer zu steuern. Das hilft ihnen, ihren Alltag besser in den Griff zu bekommen.
  • Bei schwereren ADHS-Symptomen werden oft zusätzlich zu den allgemeinen Massnahmen noch Medikamente verschrieben. Diese können, wenn sie richtig eingesetzt werden, eine grosse Entlastung für alle Betroffenen darstellen. Hier handelt es sich vorwiegend um sogenannte Stimulantien, derer bekanntester Vertreter der Wirkstoff Methylphenidat ist. Er wirkt meist sehr gut, kann aber auch einige Nebenwirkungen haben. Deshalb sind während der Behandlung engmaschige ärztliche Kontrollen notwendig.