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Darmbeschwerden: Der Reizdarm

Der Reizdarm gehört zu den häufigsten Darmerkrankungen. Die Symptome reichen von wiederkehrenden Bauchschmerzen bis zu Durchfall oder Verstopfung. Die Ernährung spielt eine zentrale Rolle, wie Professor Andrew J. Macpherson von der Klinik für Viszerale Chirurgie und Medizin am Inselspital in Bern erklärt.

Wie verbreitet sind Reizdarm-Symptome?

Prof. Andrew J. Macpherson: Das Reizdarmsyndrom kommt sehr häufig vor. Die Prävalenzraten (Häufigkeit) variieren je nach Land, betreffen jedoch etwa zehn bis 16 Prozent der Bevölkerung, wobei sie bei jüngeren häufiger als bei älteren Menschen vorkommen und bei Frauen verbreiteter auftreten als bei Männern.

Wodurch zeichnet sich dieses Krankheitsbild aus?

Die Diagnose wird nach standardisierten Kriterien gestellt (Rom IV genannt). Von Reizdarm-Symptomen spricht man, wenn der Patient in den letzten drei Monaten an mindestens einem Tag pro Woche unter wiederkehrenden Bauchschmerzen litt, die mit dem Stuhlgang, einer Veränderung der Stuhlganghäufigkeit und/oder einer Veränderung des Aussehens des Stuhls verbunden waren.

Wie leicht lässt sich diese Darmerkrankung diagnostizieren?

Unter der Annahme, dass der Patient die oben genannten Kriterien in der Vorgeschichte aufweist und es keine Auffälligkeiten bei der klinischen körperlichen Untersuchung gibt, werden andere Diagnosen mit Blutuntersuchungen und einer Koloskopie (Darmuntersuchung mit einem Endoskop) mit Schleimhautbiopsien ausgeschlossen. In der Schweiz wird in der Regel auch ein Stuhl-Calprotectin-Test durchgeführt, da er eine sensitive Methode darstellt, um eine signifikante Darmentzündung auszuschliessen. Von all diesen Tests wird erwartet, dass die Resultate normal sind, um die Diagnose zu bestätigen.

Gibt es vergleichbare Darmerkrankungen mit ähnlichen Merkmalen?

Je nachdem, ob der Patient überwiegend an Durchfall oder Verstopfung leidet, gibt es verschiedene Untergruppen des Reizdarmsyndroms. Es existiert ebenfalls eine Mischung dieser Symptome. Die Kriterien für die Diagnose sind ziemlich streng. Trotzdem diagnostizieren viele Ärzte häufig ein Reizdarmsyndrom, obwohl gleichzeitig auch andere Störungen vorliegen – zum Beispiel eine funktionelle Verstopfung (Rome IV C2), funktionelle Diarrhö (Rome IV C3) und funktionelle abdominale Blähungen (Rome IV C4). Diese weisen im Allgemeinen keine Bauchschmerzen als Hauptsymptom auf. Die Symptome eines Reizdarms können natürlich mit denen eines Dickdarmkrebses verwechselt werden, daher ist eine Abklärung wichtig.

Was weiss man über die Ursache des Reizdarms?

Dies wird im Allgemeinen als Empfindlichkeit des Patienten gegenüber Darmschmerzen angesehen. Er kann nach einer Darminfektion ausgelöst werden und es gibt genetische Anfälligkeitsfaktoren. Bei Patientinnen und Patienten mit der vorherrschenden Form von Durchfall kann es zu einer übermässigen Empfindlichkeit gegenüber Serotonin oder einer Freisetzung des Gewebshormons Serotonin im Darm kommen. Genauso spielen bestimmte, schwer verdauliche Lebensmittel oder Mikroben in der Mikrobiota (Darm-Mikrobion, s. Kasten) möglicherweise eine Rolle.

Wie sollte man bei Darmbeschwerden vorgehen?

Personen, die unter diesen Symptomen leiden, sollten ärztlichen Rat einholen, da schwerwiegende Erkrankungen wie zum Beispiel Darmtumoren ausgeschlossen werden müssen.

Was für Therapien bei Reizdarm gibt es?

Es gibt eine Reihe von Massnahmen, beginnend mit Änderungen des persönlichen Lebensstils und der Ernährung. Zusätzlich können schmerzstillende Medikamente, Anti­depressiva und Antispasmodika (krampflösende Mittel) verwendet werden. Systemische (über den Blutkreislauf wirkende) Wirkstoffe umfassen Serotonin-Rezeptor-3-Antagonisten und Rezeptor-4-Agonisten. Weiter empfehlen wir Faserergänzungen und – je nach Person – eine Ernährungsberatung.

bauchzentrum-bern.ch

Die Rolle des Darm-Mikrobioms

Die Gesamtheit der gesunden Mikroorganismen und Darmbakterien sowie derer Gene bzw. genetischer Anlagen wird Darm-Mikrobiom genannt. Jedes Darm-Mikrobiom hat eine eigene Zusammensetzung aus Bakterien, Pilzen, Viren und Archaeen und ist somit von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die individuelle Zusammensetzung hängt laut aktuellen klinischen Untersuchungen massgeblich von der Ernährung ab. Diese unterstützt das Darm-Mikrobiom unter anderem mit «gesunden» Bakterien wie den bekannten Laktobazillen, die vor allem in probiotischen Milchprodukten oder Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind.

Schädlich auf das Mikrobiom indes wirkt sich eine Ernährung etwa mit übermässig viel rotem Fleisch aus. Gerät das Darm-Mikrobiom in Dysbalance, können schädliche Darmbakterien Entzündungen und Erkrankungen des Verdauungstrakts hervorrufen. Doch dem nicht genug: Entdeckt man ein Ungleichgewicht der Darmbakterien zu spät, machen sich -nicht selten weitere Beschwerden wie Abgeschlagenheit und Erschöpfung, Reizbarkeit, Kopfschmerzen und Depressionen bemerkbar. Ausserdem wird vermutet, dass Dysbalancen des Mikrobioms im Darm Erkrankungen wie Reizdarmsyndrom und Stoffwechselstörungen begünstigen können.