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Ewige Liebe?

Nach der Hochzeit und der Phase der Hochgefühle beginnt der Alltag. Der Paarforscher Guy Bodenmann, Professor am Psychologischen Institut der Universität Zürich, erklärt, wie die Liebe frühlingsfrisch erhalten werden kann.

Herr Professor Bodenmann, welche Erwartungshaltung verbirgt sich hinter der Redewendung, die Hochzeit sei der schönste Tag im Leben eines Paares?
Prof. Guy Bodenmann*: Die meisten Paare möchten den Hochzeitstag besonders spektakulär gestalten und intensiv erleben – ihn zu einem speziellen, unvergesslichen Erlebnis werden lassen. Einerseits für den eigenen Erinnerungsgehalt, häufig aber auch, um andere zu beeindrucken. Doch eigentlich sollte dieser Tag für einen selber auch ohne pompöse Inszenierung zum schönsten Tag werden. Einzig dadurch, dass man die empfundene Liebe füreinander in einem Ritual öffentlich bekundet und damit zum Ausdruck bringt, mit diesem einen, anderen Menschen durchs Leben gehen zu wollen.

Weshalb organisieren viele Paare selbst dann ein rauschendes Hochzeitsfest, wenn sie schon mehrere Jahre miteinander gelebt haben?
Weil nun ein besonderes Bekenntnis eingegangen wird. Man möchte eine verpflichtende Verbindlichkeit markieren, ungeachtet davon, ob die Beziehung noch jung ist oder bereits mehrere Jahre dauert. Die Hochzeit hat auch heute nach wie vor eine stark symbolträchtige Bedeutung. Hinter all den Äusserlichkeiten steckt immer noch eine tiefere persönliche Bedeutung des Anlasses.

Haben Paare, die eine Patchworkfamilie gründen, in Bezug auf die Dauer der Partnerschaft bessere oder weniger gute Chancen als eine Zweierbeziehung ohne Anhang?
Patchworkfamilien stellen eine Familienform dar, welche in der Regel an alle Beteiligten höhere Anforderungen stellt als dies bei einer reinen Zweierbeziehung der Fall ist. Besonders anfällig sind dabei komplexe Patchworkfamilien, bei denen beide Partner Kinder aus erster Ehe mitbringen und anschliessend weitere gemeinsame Kinder haben. Aufgrund der höheren Belastungen und Herausforderungen ist entsprechend auch das Scheidungsrisiko dieser Paare höher.

Das Leben besteht erfahrungsgemäss nicht nur aus Hoch-Zeiten, sondern weitgehend aus Alltag. Was raten Sie einem Paar, das ernüchtert feststellt, dass der Zauber der Verliebtheit verflogen ist und sich der Rausch der Leidenschaft gelegt hat?
Wie Sie sagen – der Zauber des Anfangs verfliegt mit der Zeit und in die Beziehung kehrt Alltag ein. Mit dieser Alltäglichkeit geht schliesslich eine gewisse Routine einher, die häufig in Monotonie einmündet. Eigenschaften, die einen zu Beginn am Partner fasziniert haben, verlieren ihren Glanz und es stellen sich Ernüchterung, Enttäuschung und Frustrationen ein. Dies hat primär mit zwei Aspekten zu tun. Erstens werden häufig überhöhte Erwartungen an den Partner und die Partnerschaft gestellt, die in der Realität zwangsläufig enttäuscht werden müssen. Und zweitens nehmen viele Menschen all das, was der Partner oder die Partnerin an positiven Eigenschaften zu bieten hat, im Verlauf der Zeit als Selbstverständlichkeit hin und beginnen, sich immer mehr auf negative Aspekte zu fokussieren. Beide Haltungen gilt es, zu korrigieren. Man sollte sich die Faszination für den Partner auch nach der Verliebtheitsphase erhalten und tut gut daran, immer wieder zu versuchen, seinen Macken mit Grosszügigkeit zu begegnen. Man hat ja selbst ebenfalls Ecken und Kanten, die für den Partner oder die Partnerin auch nicht immer leicht zu ertragen sind.

Welches sind die grössten Herausforderungen, mit denen ein Paar im Verlaufe der berühmten ersten sieben gemeinsamen Jahre zurechtkommen muss?
Es gibt keine spezifischen Herausforderungen, die für den Zeitraum der ersten sieben Jahre des gemeinsamen Lebens besonders typisch wären. Es sei denn, es gehe darum, sich im Alltag an die Zweisamkeit und die damit verbundenen Aufgaben und Rollen zu gewöhnen und eine Paaridentität aufzubauen. Das Rollenverständnis und die richtige Regulation von Nähe und Distanz sind Beispiele dafür, dass sich in der Beziehung vieles nicht einfach einspielt und dann problemlos läuft. Alles muss immer wieder neu definiert, angepasst und den wechselnden Anforderungen entsprechend verändert werden – und zwar nicht nur innerhalb der ersten sieben Jahre, sondern beziehungslang. Eine Beziehung ist eine lebenslange Investition, die kontinuierlich hohe Flexibilität erfordert.

Können Sie eine Reihe von Regeln vermitteln, die dazu beitragen, dass eine Partnerschaft lebendig bleibt und sich immer wieder regenerieren kann?
Die Paare sollten ihre Liebe wie eine Pflanze sehen, zu der es Sorge zu tragen und die es zu hegen und zu pflegen gilt. Die Pflanze «Liebe» braucht Zeit, feinfühliges Eingehen auf die Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin und kontinuierliche Aufmerksamkeit. Es reicht nicht aus, einmal im Jahr irgendeine spektakuläre Aktion zu starten, notwendig ist – wie eben bei einer Pflanze – die tägliche, behutsame Pflege der Beziehung. Die Partner sollten ihre Liebe in einem zuvorkommenden, liebevollen Umgang im Alltag pflegen und die Partnerschaft als etwas Wertvolles schätzen. Zu den wichtigen Pfeilern einer glücklichen Partnerschaft gehören überdies ein konstruktiver Umgang mit Konfliktsituationen und die gemeinsame Bewältigung von Stress.

Kommunikation ist heute auf vielen Ebenen ein Schlüsselwort. Welche Bedeutung hat sie in einer Partnerschaft?
Kommunikation ist zentral wichtig. Sie ist allerdings etwas grundsätzlich anderes als blosses Geschwätz oder das Vermitteln von unwichtigen Fakten. Es soll nicht einfach geredet werden, sondern es geht darum, sich persönlich mitzuteilen, einander zuzuhören, etwas vom anderen zu erfahren, das ihn wirklich ganz persönlich beschäftigt oder bewegt. Es ist wichtig, am Leben und Erleben des Partners oder der Partnerin Anteil zu nehmen, sich einzufühlen und Verständnis zu haben. Paare leben sich auseinander, wenn sie nur oberflächlich kommunizieren oder die Gespräche zu ziel- und lösungsorientiert führen, um kostbare und rare Zeit zu sparen. Sie sollten sich auch gegenseitig selbst öffnen, von dem erzählen, was ihnen wichtig ist, was sie umtreibt, sich mitteilen und erklären, wo sie stehen und was sie bewegt.

In einer Partnerschaft kann sich unversehens Gleichgültigkeit breit machen. Was ist zu tun, dass man sich nicht auseinanderlebt?
Unversehens? Das würde ich nicht sagen. Diese von Ihnen angesprochene Gleichgültigkeit passiert nicht einfach so. Man ist selber Teil des Problems, weil man sich zu wenig Zeit für die Partnerschaft nimmt und es versäumt, die zur Verfügung stehende, wertvolle Zeit für persönliche Begegnungen zu nutzen und an der Entwicklung des Partners oder der Partnerin aufrichtig Anteil zu nehmen. In einer Paarbeziehung entwickeln sich beide Seiten. Es ist wichtig, solche Veränderungen wahrzunehmen, sich dafür zu interessieren, sie zu begleiten und daran teilzunehmen. Fehlt es an dieser Aufmerksamkeit und diesem Interesse, leben sich die Partner auseinander und verlieren sich aus den Augen. Man wird sich fremd und stellt ernüchtert fest: Die Liebe ist erkaltet. Dieser unheilvollen Entwicklung kann entgegengewirkt werden, wenn die Partner in die Beziehung investieren, ihr ausreichend Raum und Zeit geben und gemeinsam zur Pflanze «Liebe» Sorge tragen.

*Prof. Dr. Guy Bodenmann, Paarforscher und Paartherapeut, Professor am Psychologischen Institut der Universität Zürich und Autor (u. a. Was Paare stark macht, Verlag Beobachter; Bevor der Stress uns scheidet, Hogrefe Verlag)