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Hämorrhoiden, das ewige Tabuthema

Wenn es im Analbereich juckt oder auch mal blutet, können Hämorrhoiden dafür verantwortlich sein. Im Interview erklärt Dr. med. Daniela Cabalzar-Wondberg, wie Hämorrhoiden entstehen und wie sie sich behandeln lassen.

Dr. med. Daniela Cabalzar-Wondberg ist Proktologin und Chirurgin, EBSQ Coloproctology, am Universitätsspital Zürich.

Über Hämorrhoiden spricht niemand gerne. Weshalb?
Dr. med. Daniela Cabalzar-Wondberg:
Ich erlebe täglich in der Sprechstunde, dass die Hemmschwelle bei Patientinnen und
Patienten, egal ob jung oder alt, oft hoch ist, offen über Analprobleme zu sprechen. Besteht eine Stuhlinkontinenz, ist die Scham zusätzlich erhöht.

Was sind Hämorrhoiden?
Grundsätzlich muss man wissen, dass alle Menschen Hämorrhoiden haben. Darunter versteht man ein sehr gut durchblutetes Gefässpolster, den sogenannten Hämorrhoidalplexus, der sich zwischen dem Enddarm und dem Analkanal befindet. Er besteht aus einem Arterien- und Venengeflecht, das zu rund zwanzig Prozent für die Kontinenzleistung verantwortlich ist und dafür sorgt, dass aus dem Anus nicht unwillkürlich Luft, Flüssigkeit oder Schleim abgeht. Zu achtzig Prozent ist dafür der Schliessmuskel zuständig. Normalerweise funktioniert dieses Gefässpolster wie ein Schwellkörper und dichtet dadurch den After ab. Erweitert sich dieses Gefässpolster und treten Beschwerden auf, spricht man vom Hämorrhoidalleiden.

Welches sind die Ursachen dafür?
Verschiedene Faktoren können dazu führen, dass Hämorrhoiden Probleme bereiten. So fördert ein erhöhter Druck auf den Beckenboden in der Schwangerschaft, unter der Geburt, durch das Heben schwerer Lasten oder durch Übergewicht das Entstehen von Hämorrhoiden. Eine ballaststoffarme Kost, übermässiger Alkoholkonsum, Durchfall oder Verstopfung, Bewegungsmangel und langes Verweilen auf der Toilette sind weitere begünstigende Faktoren.

Wie viele Menschen sind davon betroffen?
Das Hämorrhoidalleiden ist eine sehr häufige Erkrankung. Genaue Zahlen gibt es nicht. Man geht davon aus, dass ungefähr 1000 Arztbesuche pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner aufgrund von Hämorrhoiden erfolgen. Die Dunkelziffer ist gross, weil viele Patientinnen und Patienten die Beschwerden mit frei verkäuflichen Medikamenten selbstständig behandeln und daher nicht erfasst werden. Am häufigsten tritt das Leiden zwischen 45 und 60 Jahren auf.

Welche Beschwerden werden durch Hämorrhoiden ausgelöst?
Zu den typischen Symptomen gehören hellrote Blutungen, Juckreiz, Nässen oder Brennen. Einige Betroffene bemerken ein Stuhlschmieren in der Unterwäsche. Auch ein Druckgefühl im After kann sich bemerkbar machen und das Gefühl, dass der Darm nach dem Toilettengang nicht vollständig entleert ist. Schmerzen sind kein typisches Symptom, können aber im Zusammenhang mit einer Analvenenthrombose oder einer Entzündung auftreten.

Wie kann man Hämorrhoiden behandeln?
Entscheidend ist die Anpassung der Lebensgewohnheiten. Geschieht dies nicht, können die Beschwerden immer wieder auftreten, auch nach einer medikamentösen oder operativen Therapie. Wichtig ist, auf einen weichen Stuhlgang zu achten. Dies kann man durch eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichendes Trinken oder Medikamente erreichen. Eine Vielzahl an Medikamenten in Form von Zäpfchen, Salben und Tabletten können den Juckreiz und Entzündungen lindern, abschwellend wirken und die Gefässwände stärken.

Bei welchen Beschwerden sollte man spätestens einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen?
Anfangs sind die Beschwerden nur gering und unspezifisch. Viele der beschriebenen Symptome können auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen im Analbereich auftreten. Bei Blutungen ist immer ein Arztbesuch angezeigt, um Krebs im Magen-Darm-Trakt oder im Analbereich auszuschliessen. Für eine Diagnosestellung ist eine Arztkonsultation unumgänglich. Diese ist auch dann empfehlenswert, wenn die Beschwerden das Wohlbefinden beeinträchtigen, nach einer Selbsttherapie nicht abklingen oder immer wieder auftreten.

Wann ist die operative Entfernung eine Option und was muss man darüber wissen?
Ob eine Operation sinnvoll ist, hängt vom Stadium und vor allem auch vom individuellen Leidensdruck ab. Der Eingriff erfolgt normalerweise ambulant, ausser bei Risikopatienten und Risikopatientinnen. Es gibt eine Vielzahl an zur Verfügung stehenden Methoden, zum Beispiel die Gummibandapplikation, die Entfernung der einzelnen Hämorrhoidalpolster oder die Operation nach Longo, bei der eine Schleimhautmanschette direkt oberhalb der Hämorrhoiden entfernt wird. Nach der Operation darf man normal essen. Eine ballaststoffreiche Ernährung ist für einen weichen Stuhl jetzt besonders wichtig. Je nach Operationsmethode ist man am Folgetag oder nach einer Woche wieder arbeitsfähig.

Birgt die Operation Risiken?
Sehr selten sind Nachblutungen oder Schmerzen durch das Auftreten von Perianalvenenthrombosen oder Infektionen möglich. Insgesamt sind es risikoarme Operationen.

Was wirkt präventiv?
Eine Stuhlregulation durch ballaststoffreiche Ernährung und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, sportliche Betätigung und das Vermeiden von langem Sitzen und Pressen auf der Toilette. Wenn der Körper Stuhldrang signalisiert, sollte man den WC-Besuch nicht hinausschieben. Optimal ist es, wenn man die Füsse dabei auf einen kleinen Hocker stellen kann, dies unterstützt den physiologischen Vorgang der Darmentleerung.

Die vier Stadien von Hämorrhoiden

  • Stadium 1: Die Hämorrhoiden sind von aussen nicht sichtbar.
  • Stadium 2: Beim Stuhlgang werden die Hämorrhoiden aus dem After gepresst, verschwinden danach aber wieder im After.
  • Stadium 3: Die Hämorrhoiden verschwinden nicht mehr von allein und müssen mit der Hand in den After zurückgestossen werden.
  • Stadium 4: Die Hämorrhoiden ragen dauerhaft aus dem After heraus.