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Medikamente: Fehlanzeige vegan?

Beim Einnehmen eines Medikaments oder beim Auftragen einer Salbe auf ein schmerzendes Knie macht man sich üblicherweise keine Gedanken über den Ursprung der einzelnen Bestandteile. Als Veganer sieht das unter Umständen anders aus!

Zur Erinnerung: Veganer verzichten auf den Verzehr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, sie lehnen jedoch auch andere Produkte ab, deren Rohstoffe aus der Tierwelt gewonnen werden. Sie tragen demzufolge keine Kleidung aus Wolle, Leder oder Seide. Bei ihrem Versuch, ein Leben in vollkommener Harmonie mit dem Tierreich zu führen, kommen für Veganer auch keine Kosmetika infrage, die an Tieren getestet wurden, und sie prüfen auch die Zusammensetzung der Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel, die sie einnehmen.

Wie sieht es mit den Wirkstoffen aus?

Die Wirkstoffe oder aktiven Substanzen sind im Grunde die Bestandteile eines Medikaments, die für dessen Wirkung verantwortlich sind. Um diese einsetzen zu können, benötigen wir Hilfsstoffe, die auch als Vehikel bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um Substanzen ohne eigene pharmakologische Wirkung, die dem Medikament eine bestimmte Darreichungsform oder Eigenschaften verleihen und eine angenehme Nutzung ermöglichen. Dank dieser Zusätze können wir Tabletten oder Kapseln schlucken, Zäpfchen oder Nasensprays anwenden, Cremes, Gele oder Salben auftragen oder Injektionen bzw. Infusionen erhalten. Im Fall von Medikamenten müssen Veganer also sowohl bei den Wirk- als auch bei den Hilfsstoffen auf eine eventuelle tierische Herkunft achten. In der Vergangenheit wurden in der Pharmazie relativ viele tierische Substanzen verwendet. So wurden beispielsweise Östrogene vom Pferd oder Insulin vom Schwein gewonnen. Dank Biotechnologie wird Insulin heute aber synthetisch ohne Beteiligung von Stoffen tierischer Herkunft gewonnen. Produkte, die Östrogene enthalten, welche aus dem Urin trächtiger Stuten gewonnen werden, sind bei uns nicht mehr im Handel. Einige Erzeugnisse sind jedoch noch immer tierischen Ursprungs wie

  • Keratin, das in Pflegemitteln für Haare und Nägel enthalten ist,
  • Bauchspeicheldrüsenenzyme,
  • Grünmuschelextrakte, Glucosamin oder Chondroitin (gewonnen aus Krustentieren oder Fischknorpelmasse) gegen Arthrose oder
  • an Omega-3-Fettsäuren reiche Fischöle, die als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt werden.

Teilweise gibt es bereits pflanzliche Alternativen, allerdings ist nicht immer genau dieselbe Konzentration oder dieselbe Wirksamkeit wie bei den tierischen Produkten gewährleistet. Im Falle der Omega-3-Fettsäuren sind hier Leinöl oder Leinsamen zu nennen, ebenso Raps- oder Walnussöl oder auch Walnüsse selbst, die hervorragende pflanzliche Quellen für Omega-3-Fettsäuren darstellen.

Auch manche Vitamine können tierischer Herkunft sein wie zum Beispiel das Vitamin D3. Anders als Vitamin D2, das aus Hefepilzen synthetisiert wird, basiert die Herstellung von Vitamin D3 in den meisten Fällen auf Wollwachs. Die Vitamine D2 und D3 werden im menschlichen Körper jeweils zu Calcitriol, der aktiven Form von Vitamin D, aktiviert. Einigen Studien zufolge ist Vitamin D3 in der Lage, den Spiegel an Vitamin D im Blut wirkungsvoller anzuheben als Vitamin D2, andere Studien sind jedoch zu dem Schluss gekommen, dass kein Unterschied festzustellen ist. Beide Formen sind in der Apotheke erhältlich.

Wie vegan sind Hilfsstoffe?

Auch Zusätze können tierischen Ursprungs sein. Besonders oft wird Milchzucker (Laktose) als Füllstoff oder Bindemittel eingesetzt. Mehrere Zusatzstoffe, die schmierend wirken, Verklumpungen verhindern oder als Emulgator dienen sollen, werden aus tierischen Fetten gewonnen. Hierunter sind etwa Magnesiumstearat oder die Mono- und Diglyceride von Fettsäuren zu nennen. Allerdings ist auch eine Gewinnung aus pflanzlichen Fetten möglich! Die alleinige Nennung des Hilfsstoffes reicht also nicht unbedingt aus, um über die Herkunft vollkommene Klarheit zu erhalten. Oftmals ist die direkte Information des Herstellers die einzige Möglichkeit, eine zuverlässige Angabe zur Herkunft bestimmter Hilfsstoffe zu erhalten. Manche Zusätze sind jedoch stets eindeutig tierischer Herkunft: Gelatine (als Umhüllung von Kapseln), Karminrot (Farbstoff, der aus zerquetschten Schildläusen gewonnen wird), Schelllack (ein Bindemittel, das ebenfalls aus Schildläusen hergestellt wird) sowie Lanolin (auch Wollwachs genannt) und Bienenwachs (Hilfsstoffe in Cremes und Salben).

Impfstoffe

Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen gibt es bislang keine veganen Impfstoffe. Bei ihrer Herstellung wird Eiweiss benötigt, ausserdem Gelatine sowie Kulturen tierischer Zellen (so zum Beispiel Hühnerembryonen für den Grippeimpfstoff). Manche Impfstoffe werden inzwischen mittels Gentechnik unter Anwendung biotechnologischer Verfahren mithilfe von Hefe hergestellt. Dies ist beispielsweise bei einem Impfstoff gegen Hepatitis B der Fall, allerdings ist diese Art der Herstellung nicht auf alle Impfstoffe anwendbar.

Problematik Tierversuche

Bei der Entwicklung eines Medikaments zur Anwendung am Menschen sind unausweichlich vorausgehende Tests an Tieren involviert, mit deren Hilfe die Sicherheit und die Wirksamkeit des jeweiligen Medikaments untersucht werden. Quasi alle zugelassenen Medikamente haben eine Phase mit Tierversuchen durchlaufen. Wenn der Zweck des Tierversuchs nicht die Untersuchung der Wirksamkeit ist (unter Umständen kann die Wirksamkeit eines Medikaments nur am Menschen getestet werden), untersucht man an Tieren die Toxizität des Medikaments während der Schwangerschaft oder der Stillzeit. In der präklinischen Phase wird in diesem Zusammenhang nicht selten auf Ratten, Mäuse, Kaninchen oder Affen zurückgegriffen. Trotz aller Bemühungen seitens der Pharmaindustrie um die Entwicklung alternativer Lösungen ist es bedauerlicherweise noch nicht gelungen, vollkommen auf diese Tests zu verzichten. Vegan lebende Menschen müssen hierbei, je nach Art der anzuwendenden Behandlung, eine Entscheidung von grundlegender Bedeutung treffen und ihre eigenen, gesundheitlichen Interessen gegen die Interessen der Tiere abwägen.

Auf der Suche nach veganen Medikamenten: Tipps und Möglichkeiten

  • Lesen Sie die Packungsbeilage, sprechen Sie mit Ihrem Apotheker, recherchieren Sie im Internet auf der Webseite des Herstellers oder kontaktieren Sie ihn direkt.
  • Informieren Sie sich über die jeweilige Zusammensetzung unterschiedlicher Generika, um herauszufinden, welches Mittel die Kriterien eines für Veganer geeigneten Medikaments eher oder sogar vollkommen erfüllt.
  • Da Sie als Veganer wahrscheinlich auch häufig Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen (insbesondere Vitamin B12 soll begleitend zu veganer Ernährung eingenommen werden), sollten Sie auch die Zusammensetzung dieser Produkte genau unter die Lupe nehmen.