Medizinisches Cannabis: Ein Comeback mit Zukunft!
Seit einigen Jahren bereits macht medizinisches Cannabis (immer wieder) von sich reden. In der Schweiz hat das erneut aufgekommene Interesse daran zu dessen Wiedereinführung geführt – natürlich unter strengen gesetzlichen Vorschriften.
Cannabis hat bereits eine bewegte Geschichte hinter sich: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es aus den Pharmakopöen, den amtlichen Arzneibüchern, verbannt und durch das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel von 1951 verboten. Es kam im 19. Jahrhundert aus Indien zu uns und breitete sich allmählich in ganz Europa und in den USA aus. Es wurde auf vielerlei Weise angewendet und spiegelt möglicherweise auch die geringe Anzahl an zur Verfügung stehenden Arzneimitteln dieser Zeit wider: So diente es der Behandlung von Schmerzen, Migräne, Keuchhusten, Asthma, als Beruhigungs- und Schlafmittel … In den 1930er-Jahren führten weltweite Unterdrückungsmassnahmen dazu, dass Cannabis und zahlreiche andere Substanzen ihren Status als Medikament verloren und als illegale Drogen deklariert wurden. In der Schweiz hat diese grundlegende Bewegung schliesslich dazu geführt, dass das Bundesbetäubungsmittelgesetz die Verwendung von Cannabis gänzlich verbot.
Die Pflanze und ihre Wirkstoffe
Zur Stimmungsaufhellung wurde Cannabis während des 20. Jahrhunderts in mehr oder weniger versteckter Form angewendet, die Verwendung von medizinischem Cannabis war jedoch vollständig verboten. Die Entdeckung der endocannabinoiden Rezeptoren (CB1 und CB2) in den 1980er- und 1990er-Jahren hat das Interesse an seinen therapeutischen Fähigkeiten wiedererweckt. Kurz gesagt, enthalten die Pflanze Cannabis sativa und ihre Derivate sogenannte cannabinoide Substanzen. Am bekanntesten und am besten untersucht davon sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), die auf diese Rezeptoren wirken. Das THC ist eine psychoaktive Substanz und sorgt für die euphorisierende Wirkung des Cannabis, das CBD jedoch ist nicht psychoaktiv. Arzneimittel mit einem THC-Gehalt unter 1 % fallen somit auch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz.
Strenger Rahmen für die medizinische Verwendung
Eine Überarbeitung des Betäubungsmittelgesetzes im Jahr 2011 hat die medizinische Verwendung von Cannabis und seine wissenschaftliche Erforschung zum Thema wieder ermöglicht, der gesetzliche Rahmen dazu ist jedoch sehr streng. Das Verfahren sieht vor, dass für jede Verschreibung von Cannabis eine Ausnahmegenehmigung durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eingeholt werden muss. Der behandelnde Arzt muss den entsprechenden Antrag beim BAG einreichen, wobei die sonstigen zur Verfügung stehenden Therapien wirkungslos geblieben sein müssen. Im Jahr 2012 erteilte das BAG zunächst 300 Genehmigungen, im Jahr 2017 waren es bereits 3300. Im Jahr 2018 wurde die Dauer der Gültigkeit der Genehmigungen von sechs Monaten auf ein Jahr angehoben.
Manfred Fankhauser von der Bahnhof Apotheke in Langnau war einer der Vorreiter in der Verwendung von medizinischem Cannabis und besitzt eine der wenigen Genehmigungen zur Herstellung von Dronabinol (ein anderer Name für THC) und anderen Präparaten auf der Basis von Cannabis (Cannabistinktur und Cannabisöl – beide enthalten sowohl THC als auch CBD). Bei ihm landet ein Grossteil der Cannabis-Verordnungen: «Die Nachfrage bleibt auf hohem Niveau und das Interesse ist gross, seitens der Patienten wie der Ärzte.» Für Apotheker Frankhauser, der als Spezialist im Hinblick auf Pflanzen mit psychotroper Wirkung gilt, beruhen mehrere Auswirkungen von Cannabis auf solider wissenschaftlicher Basis: «Die Cannabis-Präparate wirken appetitstimulierend und gegen Übelkeit und Erbrechen, z. B. im Rahmen von Chemotherapien, sowie auch gegen spastische Krämpfe. Das grösste Einsatzgebiet sind aber die Schmerzen, insbesondere die neuropathischen Schmerzen, die Tumorschmerzen und die Rheumaschmerzen.» Neuropathische Schmerzen gehen auf Schädigungen von Nervenstrukturen zurück. Sie sind sehr schmerzhaft und schwierig zu behandeln und werden häufig bei fortgeschrittenem Diabetes beobachtet, in Zusammenhang mit einer Gürtelrose oder aufgrund von Verletzungen der Wirbelsäule. Wenn das zur Verfügung stehende Spektrum an Arzneimitteln nicht in der Lage ist, die chronischen Schmerzen einzudämmen, kann medizinisches Cannabis Sinn machen. Laut Apotheker Fankhauser ist es grundsätzlich falsch, wenn Patienten, die eine therapeutische Wirkung wünschen, sich Cannabis auf dem Schwarzmarkt beschaffen müssen. Die heutige Situation mit Ausnahmebewilligungen ist zwar eine Verbesserung, sie stellt aber noch eine zu grosse Hürde sowohl für Patienten wie auch für Ärzte dar. Es sei hier noch darauf hingewiesen, dass in der Schweiz nur ein einziges Medikament auf der Basis von Cannabis von Swissmedic zugelassen ist. Es ist ausschliesslich für die Behandlung von spastischen Symptomen bei multipler Sklerose indiziert.
Sonderfall Cannabidiol
CBD fällt aufgrund seiner nicht psychoaktiven Wirkung nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und seine therapeutische Wirkung wird wissenschaftlich untersucht. Manfred Fankhauser hält fest, «dass CBD allein einen relativ starken entzündungshemmenden Effekt hat und antiepileptisch wirkt. Aber auch bei Kindern mit ADHS wird es verwendet sowie bei psychiatrischen Indikationen wie Depressionen oder Schlafstörungen.» Fankhauser beobachtet somit die Ausweitung des Indikationsspektrums für CBD, weist jedoch darauf hin, dass reines CBD-Öl bei ihm nur auf ärztliches Rezept erhältlich ist, wobei der jeweilige Arzt angeben muss, für welche Indikation die Anwendung vorgesehen ist (abgesehen von Epilepsie). Er fügt noch hinzu: «Es wäre falsch zu glauben, dass man THC mit CBD ersetzen kann. Die Wirkungen von THC und CBD sind doch sehr unterschiedlich. Die Diskussion um die frei verkäuflichen CBD-Präparate ist noch nicht abschliessend geklärt.» Derzeit unterliegen die Produkte auf CBD-Basis verschiedenen Gesetzen (darunter Gesetze zu Arzneimitteln, Nahrungsmitteln, chemischen Produkten usw.) und der Status von CBD ist nicht klar: Man findet es in der Apotheke auf ärztliches Rezept in pharmazeutischer Qualität, aber auch im Handel in Geschäften, die Hanfprodukte verkaufen! Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass bei einigen frei verkäuflichen Produkten die Zusammensetzung nicht mit den Angaben auf dem Etikett übereinstimmt. Beim Umgang mit derlei Produkten ist also Vorsicht geboten.
Das sagt das BAG
Angesichts der starken Nachfrage nach medizinischem Cannabis und der Hürden, die das aktuelle Verfahren darstellt, hat der Bundesrat anerkannt, dass die Gesetzgebung angepasst werden sollte. Für Sommer 2019 ist ein Untersuchungsverfahren anvisiert, bis zum eventuellen Inkrafttreten einer neuen Gesetzgebung können aber noch drei bis vier Jahre ins Land ziehen.
Erstattungsfähig oder nicht?
Angesichts ihres aktuellen Sonderstatus stehen Cannabis-Präparate nicht auf der Liste der von der Krankenkasse erstatteten Medikamente. Vorab muss bei der Krankenkasse ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden, dieses Verfahren verläuft jedoch nicht immer erfolgreich. Aus seinen Erfahrungen berichtet Herr Fankhauser, dass die (Teil-)Kosten bei knapp der Hälfte der Patienten übernommen werden. Zum Zuge kommen die obligatorische Grundversicherung, eine Zusatzversicherung und manchmal auch die IV oder die Suva.