Richtig essen im Alter
Haben wir unserer Ernährung schon jemals so viel Bedeutung beigemessen wie in den letzten Jahrzehnten? Spezialisten und Pseudoexperten geben unzählige Ratschläge: mehr hiervon, weniger davon, auf Herkunft und Zeitpunkt der Mahlzeiten achten usw. Doch wie sehen diese Empfehlungen bei älteren Menschen aus?
Müssen Senioren sich anders ernähren? Bevor wir diese Frage beantworten können, müssen wir erst klarstellen, von welchen Senioren wir sprechen! Mit dem Anstieg der Lebenserwartung und des Lebensstandards in der westlichen Welt ist es unmöglich geworden, alle «älteren» Erwachsenen in einen Topf zu werfen. Neben dem «dritten Lebensabschnitt» spricht man heutzutage auch vom «vierten Lebensabschnitt», was sich, oft ohne nähere Altersangabe, auf «ältere Senioren» bezieht. Die Ernährung einer sportlichen, siebzigjährigen Rentnerin sieht natürlich anders aus als die eines fast hundertjährigen Pflegeheimbewohners. Einige Prinzipien sind jedoch allgemeingültig.
Die Ernährungspyramide: altersunabhängige Empfehlungen
In der Schweizer Ernährungspyramide, wie sie die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung festgelegt hat (siehe Website www.sge-ssn.ch), werden die verschiedenen Nahrungsmittelgruppen definiert und es wird angegeben, welche Bedeutung ihnen mengenmässig beigemessen werden soll. Lebensmittel werden in die drei Hauptgruppen Kohlenhydrate (oder stärkehaltige Lebensmittel), Proteine und Lipide, also Fette, eingeteilt. Hinzukommen Obst und Gemüse, die Ballaststoffe, Mineralsalze und Vitamine liefern. Das Ganze wird durch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, wenn möglich in Form von Wasser oder ungesüssten Getränken, ergänzt. Ältere Menschen verspüren in der Regel weniger Durst und erreichen deshalb oft die empfohlene Trinkmenge von eineinhalb Liter pro Tag nicht. Sie müssen sich somit daran gewöhnen, auch zu trinken, wenn sie nicht durstig sind und möglicherweise morgens die Wassermenge, die sie im Laufe des Tages trinken sollten, abmessen. Trinken Sie übrigens lieber vor oder zwischen den Mahlzeiten als beim Essen, damit Sie sich den Appetit erhalten!
Sarkopenie = Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft
Von den Lebensmitteln der Ernährungspyramide spielt die Gruppe der Proteine bei älteren Menschen eine besondere Rolle. Proteine sind nämlich für Bildung und Erhalt von Muskeln essenziell. Ältere Menschen benötigen jeden Tag mindestens 1 bis 1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Zufuhr muss unbedingt eingehalten werden, um Sarkopenie zu verhindern oder deren Schweregrad zu begrenzen. Sarko… was?
Mit dem Älterwerden verändert sich die Zusammensetzung des Körpers wesentlich. Ab fünfzig Jahren beobachtet man einen Anstieg des prozentualen Anteils an Fettmasse und eine Verringerung der Magermasse (Knochen, Organe und Muskelgewebe) von ein bis zwei Prozent pro Jahr. Auch die Muskelkraft nimmt ab: eineinhalb Prozent pro Jahr zwischen fünfzig und sechzig Jahren, danach drei Prozent pro Jahr. Das beschleunigte Schwinden der Kraft lässt sich durch eine Veränderung der Muskelbeschaffenheit erklären. Diese Verringerung der Muskelmasse und Muskelkraft und die Veränderung der Muskelbeschaffenheit wird Sarkopenie genannt. Ältere, von Sarkopenie betroffene Menschen haben ein erhöhtes Risiko, Gebrechlichkeit (Frailty-Syndrom) zu entwickeln. Zunehmende Gebrechlichkeit, die sowohl einen Verlust der Selbstständigkeit als auch eine höhere Abhängigkeit von äusseren Faktoren bedingt, ist letztlich der Grund für eine Aufnahme vieler älterer Menschen in Pflegeeinrichtungen. Doch glücklicherweise sind nicht alle Senioren im gleichen Umfang oder überhaupt von Sarkopenie betroffen. Quellen und publizierte Diagnosekriterien sprechen von zwanzig Prozent von Sarkopenie betroffenen Männern im Alter von siebzig bis fünfundsiebzig Jahren und von fünfzig Prozent in der Gruppe der über Achtzigjährigen. Bei den Frauen liegen diese Anteile bei fünfundzwanzig und vierzig Prozent.
Sarkopenie: Ursachen und Heilmittel
Ursachen gibt es viele, darunter vor allem Inaktivität, Abnahme der Nerven- und Muskelfunktion, hormonelle, altersbedingte Veränderungen wie weniger Testosteron, Östrogene und Wachstumshormone und eine höhere Insulinresistenz, ein chronischer Entzündungszustand, der im Verlauf des Alterns auftritt, genetische und, Sie haben es schon geahnt, ernährungsbedingte Faktoren.
Da die altersbedingte Sarkopenie heutzutage nicht vermeidbar ist, bleiben zwei Optionen: Einerseits unsere Ernährung umzustellen und mehr Proteine zu essen und uns andererseits so lange wie möglich ausreichend körperlich zu betätigen. Sportliche Senioren findet man mittlerweile zuhauf. Für diejenigen, die weniger aktiv sind, bieten Sportvereine, Pro Senectute oder andere Organisationen altersgerechte Kurse in unzähligen Sportarten an, unter anderem auch Tanzen!
Was die Ernährung betrifft, sollte man darauf achten, die Proteinquellen zu variieren (Fleisch, Milchprodukte, Fisch, Tofu) und, falls notwendig, die Gemüseportion zugunsten der Protein- und Stärkebeilage zu reduzieren.
Vitamine und Mineralstoffe
Bei Osteoporose, einer Erkrankung, die sich durch Knochenmasseverlust und erhöhtes Frakturrisiko auszeichnet, handelt es sich um eine Alterserkrankung. Besonders zu achten ist hierbei auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin D und Calcium, da diese unerlässlich zur Vorbeugung von Osteoporose sind. Die aktuelle Empfehlung für ältere Menschen lautet, das ganze Jahr über jeden Tag 800 IE Vitamin D zuzuführen, da sie es weniger gut selbst bilden können. Über eine Calciumsupplementierung entscheidet im Allgemeinen je nach persönlichem Osteoporoserisiko der behandelnde Arzt. Der regelmässige Konsum von Milchprodukten ist jedoch für alle empfohlen, da Milch und Milchprodukte eine bedeutende Menge an Calcium liefern. Mineralwasser mit hohem Calciumgehalt, Nüsse und grünes Gemüse sind ebenso gute Calciumlieferanten.
So beugen Sie Unterernährung im Alter vor
Essen Sie in Gesellschaft: Gemeinsam zu essen ist viel schöner, als seinen Teller allein zu «leeren». Laden Sie regelmässig Freunde zum Kochen und Essen ein und nehmen Sie Einladungen an. Falls Sie lieber auswärts essen, bieten zum Beispiel Cafeterias oder Tagesstätten Mahlzeiten an, die den Geldbeutel nicht allzu sehr belasten.
Lassen Sie sich von der Familie oder den Nachbarn helfen, wenn Ihnen das Einkaufen und Zubereiten der Mahlzeiten zu mühsam ist. Ergänzen Sie Fertiggerichte mit einem frischen Salat oder lassen Sie sich «Essen auf Rädern» nach Hause liefern.
Informieren Sie sich bei Ihrem Hausarzt oder in der Apotheke, wenn Sie ernährungsrelevante Beschwerden wie Zahnprobleme, Rheuma in Fingern und Händen, Schluckbeschwerden oder eine beginnende Demenz an sich bemerken. Gemeinsam lässt sich leichter eine geeignete Problemlösung finden.