Vorsicht: Mikronährstoffräuber!
Ob Magensäureblocker, Cholesterinsenker oder die «Pille»: Werden bestimmte Arzneimittel über eine längere Zeit eingenommen, können erhebliche Vitamin- und Mineralstoffmängel entstehen. Lassen Sie diese nicht unentdeckt!
Catharina Bühlmann, Apothekerin
Vitamine und Mineralstoffe sind für uns unverzichtbar, eine regelmässige und ausreichende Versorgung ist lebensnotwendig. Damit diese Mikronährstoffe ihren Aufgaben am richtigen Ort nachgehen können, durchlaufen sie von der Aufnahme in den Organismus über die Verstoffwechselung bis hin zur Ausscheidung vorgegebene Wege. Nehmen wir ein Arzneimittel ein, bedient sich dieses kurzerhand der gleichen Transport- und Stoffwechselwege, um an seinen Wirkort zu gelangen. Dabei werden Medikamente nicht nur zur Konkurrenz von Mikronährstoffen, sondern können diese auch direkt beeinflussen. Ob eine verminderte Aufnahme, eine blockierte Verstoffwechselung oder eine beschleunigte Ausscheidung: Medikamente können so zu regelrechten Vitamin- und Mineralstoffräubern werden und auf die Dauer zu gefährlichen Mangelzuständen führen. Diese bleiben oft über lange Zeit unentdeckt – durch regelmässige Blutspiegelkontrollen kommen Sie ihnen aber rechtzeitig auf die Spur.
Ohne Magensäure kein Vitamin B12
Pantoprazol, Esomeprazol, Omeprazol – hinter diesen Namen verstecken sich wirkungsvolle Arzneimittel, die die Produktion der Magensäure unterbinden, indem sie die sogenannten Protonenpumpen hemmen. Eingesetzt werden sie unter anderem bei Sodbrennen und saurem Aufstossen sowie zur Prophylaxe und Behandlung von Geschwüren im Magen-Darm-Trakt. Obwohl eine Reduktion der Magensäure bei den genannten Erkrankungen erwünscht ist, kann zu wenig Säure die Aufnahme von Mikronährstoffen verhindern. So muss zum Beispiel Vitamin B12 im Magen erst von Proteinen, an welche es in der Nahrung gebunden ist, losgelöst werden. Anschliessend bindet es an den sogenannten «Intrinsischen Faktor», ein körpereigenes Protein, welches für die korrekte Aufnahme im Darm verantwortlich ist. Beide Vorgänge können nur in Anwesenheit von Magensäure korrekt ablaufen. Wird diese durch die Einnahme von Protonenpumpenhemmern unterdrückt, kommt es langfristig zu einer Unterversorgung an Vitamin B12.
So äussert sich ein Vitamin-B12-Mangel
Vitamin B12 ist für eine ganze Reihe von Funktionen in unserem Körper notwendig. Es ist ein wichtiger Bestandteil bei der Bildung roter Blutkörperchen und trägt zum Schutz der Nervenstränge unseres Nervensystems bei. Ein Mangel kann neben einer Blutarmut mit Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Schwäche auch neurologische Symptome zur Folge haben. Diese können sich als Taubheit oder Kribbeln in Händen und Füssen, Konzentrationsstörungen oder Gangunsicherheit äussern, aber auch bis hin zu Verwirrung, Gedächtnisstörungen und verschiedenen Formen der Demenz führen. Vitamin B12 sorgt zudem für den Abbau der Aminosäure Homocystein im Blut, welche in zu hohen Konzentrationen die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Wer Protonenpumpenhemmer über eine längere Zeit einnimmt, sollte deshalb den Vitamin-B12-Spiegel regelmässig kontrollieren lassen. Dies gilt übrigens auch bei der Einnahme des Antidiabetikums Metformin. Dieser Wirkstoff verringert die Konzentration von Calciumionen im Darm, welche für die Aufnahme von Vitamin B12 nötig sind, und lässt dadurch ebenfalls den Vitamin-B12-Spiegel auf Dauer schwinden.
Statine senken nicht nur den Cholesterinspiegel
Arzneimittel aus der Wirkstoffgruppe der Statine senken erhöhte Cholesterinwerte. Aufgrund dieser Wirkung werden sie bereits seit vielen Jahren erfolgreich zur Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt eingesetzt. Statine hemmen dabei jedoch nicht nur die körpereigene Cholesterinherstellung, sondern auch die Produktion anderer Verbindungen wie zum Beispiel dem Coenzym Q10. Dabei ist gerade die körpereigene Produktion dieser Substanz für uns von Bedeutung, denn der tägliche Bedarf an Coenzym Q10 wird nur in geringem Ausmass über die Nahrung gedeckt.
Wenn Coenzym Q10 fehlt
Coenzym Q10 ist für die Energieproduktion in den Zellen unerlässlich. Zudem schützt es die cholesterintransportierenden Partikel, also die Blutfette, vor Oxidation – ein Prozess, welcher dazu führt, dass sie das transportierte Cholesterin nicht mehr ins Gewebe abgeben können. Zirkuliert nun zu viel Cholesterin im Blut, lagert sich dieses in den Gefässwänden ab, was zu einer Verengung der Blutgefässe führt. Des Weiteren konnte beobachtet werden, dass reduzierte Coenzym-Q10-Spiegel ein Risiko für die Entstehung von Muskelschmerzen, einer bekannten unerwünschten Wirkung von Statinen, ist. Auch Müdigkeit und Schwäche können mögliche Anzeichen für einen Mangel sein. Coenzym Q10 ist in Form von Kapseln, Lutschtabletten oder Tropfen in der Apotheke erhältlich und ergänzt so eine Statintherapie optimal.
Folsäure und die «Pille»
Sie gilt als einfache und relativ sichere Verhütungsmethode: die «Pille», in der Fachsprache orales Kontrazeptivum genannt. Doch auch die «Pille» kann den Mikronährstoffhaushalt negativ beeinflussen. So stört sie einerseits die Aufnahme von Folsäure im Darm und kurbelt andererseits deren Ausscheidung an. Die Häufigkeit eines Folsäuredefizits bei Frauen, welche orale Kontrazeptiva einnehmen, wird auf über zwanzig Prozent geschätzt. Ein Folsäuremangel kann wie ein Vitamin-B12-Mangel eine Blutarmut zur Folge haben. Besonders gefährlich ist ein zu geringer Folsäurespiegel zudem während der Schwangerschaft, da dieser zu sogenannten Neuralrohrdefekten, also einer Fehlbildung, führen kann. Bei einem Kinderwunsch sollte deshalb bereits frühzeitig mit der Einnahme von Folsäure gestartet werden: Denn ein durch die «Pille» bedingter Folsäuremangel kann bis zu einem halben Jahr nach Absetzen des Kontrazeptivums andauern.