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Waldbaden: Therapieraum Wald

Die Beziehungen zwischen Natur und Mensch sind vielfältig vernetzt. Seit einigen Jahren wird dem heilenden Aspekt des Waldes und insgesamt der Natur vermehrt Beachtung geschenkt – mit spannenden Erkenntnissen!

Wald: Welche Bilder und Gedanken steigen in Ihnen auf, wenn Sie sich ein paar Minuten Zeit gönnen, um sich auf dieses Wort einzulassen?
Im Verlauf der Jahrhunderte galt der Wald als geheimnisumwitterter oder gar heiliger Ort. Als Wirtschaftsfaktor konnte er zur Existenzsicherung beitragen, für Dichter, Philosophen, Komponisten und Künstler dagegen war und ist er eine Quelle der Inspiration. Seit einigen Jahrzehnten werden die Wälder und insgesamt die Natur als gebührenfreie Freizeit- und Sportareale genutzt.

Einen ganz besonderen Weg schlägt das Forschungsgebiet ein, das sich Biophilie nennt: Dieser Begriff, den man mit «Liebe zum Lebendigen» übersetzen könnte, wurde 1964 erstmals vom deutsch-amerikanischen Philosophen und Psychoanalytiker Erich Fromm verwendet.
In seinem Buch «Der Biophilia-Effekt/Heilung aus dem Wald» (edition a) geht der österreichische Biologe Clemens G. Arvay auf die subtilen Wechselbeziehungen und den stummen Dialog zwischen Wald und Mensch ein und erklärt beispielsweise, dass bei einem Aufenthalt im Wald nachweislich die Immunwerte im menschlichen Organismus ansteigen, während Stresshormone sich verringern.

Arvay kommt auch auf die geheimen Kommunikationswege zwischen Waldbäumen, Kräutern, Pilzen und sogar dem Humus zu sprechen. «Die Medizin der Zukunft wird sich wieder an alten Vorbildern orientieren und die Mensch-Natur-Beziehung in die Therapie von körperlichen und psychischen Krankheiten miteinbeziehen», prognostiziert der Biologe Arvay. In RehaClinic beispielsweise, einer Schweizer Unternehmensgruppe für Rehabilitation und Prävention, werden bereits heute bestimmte Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur als gezielte therapeutische Massnahme eingesetzt.

Thomas Benz, weshalb wird neuerdings der Wald als Therapieraum gesehen?
Thomas Benz*:
Da spielen verschiedene Aspekte mit. Zum einen hat sich die Medizin vom biomedizinischen Modell entfernt. Dieses geht davon aus, dass Krankheiten ausschliesslich durch eine biochemisch oder physikalisch nachweisbare Störung im Körper entstehen. Im Gegensatz dazu anerkennt nun das biopsychosoziale Modell, dass Gesundheit und Gesundheitswahrnehmung von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst werden. Ferner ist zu erwähnen, dass seit 1982 in Japan das Shinrin Yoku, das «Waldbaden», gepflegt wird und sich auch ausserhalb dieses Landes bekannt gemacht hat.

Offenbar auch bei Ihnen in RehaClinic Bad Zurzach?
In unserer Klinik begannen wir zunächst mit der Gartentherapie, danach kam das Element Landschaftstherapie dazu und nun eben auch die Waldtherapie. Die gesundheitsfördernde Wirkung der Pflanzen, der Landschaft und ebenso des Waldes wird in die Therapie einbezogen.

Vermutlich beginnt für den einen oder anderen Ihrer Patienten der therapeutische Einstieg damit, dass er überhaupt mit einem Wald Bekanntschaft macht. Muss er, im Wald angekommen, ein bestimmtes Übungsprogramm durchlaufen?
Der Wald ist Ruheort und Luftfilter. Er liefert charakteristische Gerüche und Geräusche sowie visuelle Eindrücke. All das setzt Impulse, die sich körperlich, aber auch auf der psychosozialen Ebene auf das Wohlbefinden auswirken und Teil eines Therapiekonzepts werden, das mehrere Puzzleteile umfasst. Dazu gehört, dass dem Patienten mit unserer Unterstützung Erfahrungen ermöglicht werden, die seine Gesundheit positiv beeinflussen. Wichtig dabei ist, dass er diese auch nach dem Klinikaufenthalt weiterhin selbstständig nutzt.

Ist der Wald im weitesten Sinn so etwas wie ein spezieller Vitaparcours?
Nein, dieser Vergleich ist unpassend, denn wenn es erstrangig um körperliches Training geht, gibt es andere, spezifische Therapieformen. Bei der Waldtherapie stehen beispielsweise die Atemtechnik oder die Wahrnehmung des eigenen Körpers und gleichzeitig der umgebenden Natur im Vordergrund.

Gehört zu diesem Wahrnehmungsprozess auch das Ritual, Bäume zu umarmen?
Ihre Frage führt auf eine andere, eher spirituelle Ebene. Hier grenzt sich unser Therapiekonzept klar ab, denn es bezieht sich auf den Körper mit all seinen Funktionen und auf die Tatsache, dass unser Wohlbefinden stark mit dem psychischen und dem sozialen Bereich vernetzt ist. Man weiss genau, dass der Wald in diesem therapeutischen Umfeld positive Auswirkungen hat: Der Bluthochdruck wird gesenkt, Schlafstörungen oder auch stressbedingte Erkrankungen erfahren heilende Impulse.

Kommen Therapien, zu deren Konzept die Naturbegegnung gehört, vor allem in Burn-out-Fällen oder bei Stresspatienten zur Anwendung?
Bei bestimmten Patientengruppen gehören bei uns in RehaClinic die naturbasieren Therapien standardmässig zum Konzept, beispielsweise bei der Gruppe der Schmerzpatienten. Selbstverständlich werden diese Therapien auch individuell und der medizinischen Einschätzung entsprechend bei weiteren Patienten eingesetzt.

Würde der Wald auch im Umfeld der privaten Gesundheitsprävention mehr Beachtung verdienen?
Es geht allgemein darum, die Wirkfaktoren des Therapieraums Wald auf die eigene Gesundheit zu erproben, herauszukristallisieren und im Sinne der Prävention gezielt zu pflegen.

Waldtherapie für jedermann

  • Halten Sie sich etwa zwei Stunden im Wald auf und legen Sie ungefähr 2,5 Kilometer zurück. Wenn Ihnen ein bestimmter Platz spontan gut gefällt, machen Sie Rast: Verweilen, nachdenken, meditieren.
  • Nach einem Regenguss, bei feuchtem Wetter oder Nebel ist die Waldluft besonders reich an Wirkstoffen, die der Gesundheit dienlich sind.
  • Mit Atemübungen kann die Heilwirkung der Waldluft intensiviert und die körpereigene Immunabwehr gestärkt werden.

Atemübung

  • Fassen Sie auf dem Waldboden gut Stand.
  • Heben Sie Ihre Arme seitlich kreisförmig hoch, atmen Sie tief ein, zuerst durch den Bauch und dann durch die Brust. Fühlen Sie, wie sich Ihre Lungenflügel mit Luft füllen.
  • Wenn Ihre Arme über dem Kopf zusammentreffen, führen Sie die Arme dem Körper entlang nach unten und atmen Sie aus.
  • Wiederholen Sie Ihre Atemübungen, aber übertreiben Sie nicht, denn wenn Sie plötzlich ungewohnt viel Sauerstoff aufnehmen, kann Ihnen schwindelig werden.

(Kurzfassung aus dem Buch «Der Biophilia-Effekt» von Clemens G. Arvay.)

* Thomas Benz ist Fachleiter Psychosomatik und Schmerz in RehaClinic Bad Zurzach.