Wasserqualität: Wie sauber ist das Wasser in See-, Fluss- und Freibädern?
«Was da wohl so alles drin schwimmt?», mag sich so mancher Badegast fragen, wenn vor lauter Menschen im Schwimmbecken die Wasseroberfläche kaum mehr zu erkennen ist. «Keine Sorge», beruhigt der Badewasserinspektor.
René Schittli ist Badewasserinspektor des Kantons Zürich. Im Auftrag der Gesundheitsdirektion kontrolliert er die Wasserqualität aller Hallen-, Frei-, Fluss- und Seebäder im Kanton. Das sind rund 120 Hallenbäder (darunter fallen auch Schulschwimmbecken, Therapiebäder von Altersheimen und Spitälern sowie Pools in Fitnessparks), 75 Freibäder sowie eine ganze Menge Fluss- und Seebäder. Bis letztes Jahr liess die Stadt Zürich ihre rund fünfzig Bäder von einem privaten Labor untersuchen. Ab 2019 wird das Kantonale Labor aber auch diese Bäder überprüfen, da das Bad- und Duschwasser neu ins Lebensmittelgesetz aufgenommen wurde und darum jeder Betrieb im Kanton Zürich einmal im Jahr amtlich überprüft wird.
Wie oft kontrollieren Sie die Wasserqualität in den Bädern?
René Schittli*: Jedes Hallenbad wird dreimal im Jahr unangemeldet kontrolliert, die Freibäder einmal pro Saison. Die grossen Fluss- und Seebäder begutachten wir allerdings viermal pro Saison, in den Monaten Mai bis August je einmal, da die Wasserqualität dieser natürlichen Gewässer wegen der Kläranlagen, dem schwankenden Wasserpegel und den Ausscheidungen der Wasservögel in Ufernähe eher problematisch sein könnte.
Gewisse Seen hatten früher betreffend Wasserqualität einen schlechten Ruf, heute kaum mehr. Welche Massnahmen haben zur verbesserten Wasserqualität geführt?
Die Überdüngung der Felder war früher ein grosses Problem. Nach Regenfällen gelangte der Dünger irgendwann auch in die Fliessgewässer. Das ist heute viel strenger geregelt. Zudem waren die Kläranlagen noch nicht auf dem heutigen Stand. Vielerorts wurde das Abwasser auch noch direkt in den See geleitet. Heute ist die Wasserqualität in Flüssen und Seen in 99 Prozent der Proben ausgezeichnet oder gut. Die Resultate werden während der Badesaison laufend aktualisiert und auf unserer Website publiziert (kl.zh.ch >Wasser >Badewasser >Flüsse und Seen >pdf Badewasserqualität). Wir leiten unsere Werte auch ans Bundesamt für Umwelt weiter, welches diese Werte wiederum an die Europäische Umweltagentur weitergibt. Diese veröffentlicht eine interaktive Karte für Europa mit allen See- und Flussbädern und der entsprechenden Wasserqualitätsklassifizierung drauf. Um auf dieser Karte zu erscheinen, muss ein Bad viermal pro Sommer kontrolliert werden. (Im Internet nach «EU-Badegewässerbericht» suchen und dort «interaktive Karte» anwählen.)
Was kann in natürlichen Gewässern gesundheitliche Probleme beim Menschen hervorrufen?
Bei uns in der Schweiz kann vor allem die Zerkariendermatitis (auch Badedermatitis genannt) auftreten, ein juckender Hautausschlag. Hervorgerufen wird er durch die Larven von Saugwürmern, die irrtümlicherweise in die Haut des Menschen eindringen. Eigentliche Endwirte sind Wasservögel. Dringen die Zerkarien nun aber in die Haut des Menschen ein, setzt nach etwa zehn Minuten ein Prickeln oder leichtes Jucken ein und es erscheinen gerötete Flecken. Bei einem Zweitbefall kann es nach mehreren Stunden zur eigentlichen Dermatitis kommen. Begleitet von heftigem Juckreiz bilden sich rötliche Quaddeln. Diese heilen im Verlauf von zehn bis zwanzig Tagen ohne Folgen ab, der Juckreiz lässt bereits nach einigen Tagen nach. Der Befall ist zwar unangenehm, aber in der Regel harmlos.
Gibt es Vorbeugemassnahmen gegen einen Zerkarienbefall?
Es ist ein natürlicher Vorgang, der vor allem bei Wassertemperaturen ab 25 °C auftritt. Also kältere Gewässer bevorzugen. Vorbeugen kann man auch, indem man Aufenthalte im Uferbereich mit vielen Wasservögeln meidet. Oder nach dem Verlassen des Wassers die nasse Badekleidung auszieht, sich duscht und kräftig mit einem Handtuch abtrocknet. Das ist zwar kein absoluter Schutz, aber falls Zerkarien im Wasser sind, kann man so immerhin die Anzahl der Eindringlinge vermindern.
Was kontrollieren Sie im Wasser von Hallen- und Freibädern?
In jedem Becken nehme ich eine Wasserprobe für die mikrobiologische Untersuchung im Labor mit und messe vor Ort den Desinfektionsmittelgehalt (Chlor), den pH-Wert und die Temperatur. Chlorgehalt und pH-Wert werden bei jeder Anlage automatisch überwacht und auch die Dosierung der Chlorzugabe erfolgt automatisiert. Dennoch muss diese Überwachung durch Handkontrollen zweitgeprüft werden. Ich habe einen kleinen Analysekoffer dabei, den auch die Badmeister haben. Sie sind ja verpflichtet, diese Werte zweimal am Tag zu überprüfen und in einem Betriebsjournal einzutragen, welches ich ebenfalls kontrolliere.
Was untersuchen Sie im Labor?
Bei einer mikrobiologischen Analyse, die bis zu drei Tage dauert, wird die Wasserprobe auf Bakterien untersucht. Es darf auf keinen Fall Fäkalkeime drin haben. Aber auch Pseudomonas aeruginosa, weitverbreitete Umweltkeime, sind unerwünscht. Für gesunde Menschen sind sie zwar meist ungefährlich, können aber dennoch zu Hautreizungen, Augen- und Mittelohrentzündungen sowie Vereiterungen von Wunden führen. Für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem dagegen kann es zu schweren Erkrankungen kommen. Wenn der Chlorgehalt stimmt, kann mikrobiologisch aber eigentlich nichts wachsen.
Wozu braucht es Chlor?
Um das Wasser keimfrei zu halten. Chlor tötet Keime innert Sekunden ab. Jeder Badegast trägt Millionen an Keimen ins Wasser. Die müssen mit Chlor inaktiviert werden. Für Badewasser gelten in der Schweiz strenge Vorgaben. Das sind keine Kloaken!
Was nützt Duschen vor dem Sprung ins Wasser?
Sehr viel. Ideal wäre, wenn sich jeder Badegast vor dem Gang ins Wasser gründlich mit Shampoo abduscht und auf die Toilette geht.
Gibt es Alternativen zu Chlor?
Die neue Verordnung erlaubt auch Brom als Desinfektionsmittel, aber im Kanton Zürich haben wir kein Bad, das mit Brom desinfiziert. Momentan ist Chlor noch das Beste. Es ist für den Badegast jedenfalls das kleinere Übel als eine Infektion.
Gibt es Unterschiede in der Wasserqualität zwischen einem Freibad und einem Hallenbad?
Da Freibäder an heissen Tagen viel höhere Belegungszahlen aufweisen, als das bei Hallenbädern jeweils der Fall ist, ist der Harnstoffgehalt höher, also die Konzentration an menschlichem Urin.
Ist das gesundheitsschädigend?
Nein. Der Harn eines gesunden Menschen ist keimfrei. Dennoch sollten die Badegäste die Toilette benützen, denn wenn sich gechlortes Wasser mit Harnstoffen verbindet, entstehen unter anderem Chloramine, welche Augen und Schleimhäute reizen können. Nicht das Chlor verursacht das Augenbrennen, wie viele immer meinen, sondern dessen Verbindung mit dem Stickstoff.
Wie kann die Konzentration an Harnstoffen im Wasser minimiert werden?
Mehr Frischwasser zugeben. Das Wasser der Becken wird ja ständig umgewälzt und in Filtern mechanisch gereinigt. Je nach Besucherfrequenz wird mehr frisches Wasser eingeleitet.
Was passiert, wenn im Kinderbecken Stuhl abgeht?
Festes muss der Badmeister sofort rausfischen. Durch die automatische Chlordosierung wird der Höchstwert dann nicht überschritten. Um solche Szenarien aber schon vorweg zu verhindern, verlangen viele Badmeister, dass auch kleine Kinder Badewindeln tragen. Schwieriger ist es bei flüssigem Stuhl. Da muss die Zuleitung in die Wasseraufbereitungsanlage sofort geschlossen und das Wasser in die Kanalisation umgeleitet werden. Das Becken wird entleert und desinfiziert. Allenfalls muss ausserhalb der Betriebszeiten eine Stosschlorung mit einer zehnmal höheren Chlordosierung durchgeführt werden, damit der ganze Kreislauf desinfiziert wird. Nachdem ein Antichlor zugegeben wird, um alles zu neutralisieren, kann wieder die vorgeschriebene Chlorkonzentration gemäss SIA-Norm zugeführt werden.
Wie bedenklich ist es, Wasser zu schlucken?
Wenn alle Werte in Ordnung sind, ist es unbedenklich.
*René Schittli ist Badewasserinspektor des Kantons Zürich.