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Auch das Verdauungssystem braucht Pausen

Intervallfasten hilft nicht nur beim Abnehmen, sondern soll auch diverse andere positive Wirkungen haben. Doch die Methode eigne sich nicht für alle Menschen, sagt eine erfahrene Ernährungsberaterin.

Nadia Schwestermannist Ernährungsberaterin BSc und Geschäftsinhaberin der Praxis nutriteam in Bern.

Eigentlich können wir doch froh sein, dass wir hierzulande stets genügend zu essen haben. Wieso sollen wir uns jetzt doch wieder das Hungern antun?
Nadia Schwestermann:
Das ist genau das Problem: Die Läden sind übervoll und wir werden oft zum Essen und Naschen verführt. In der Steinzeit mussten die Menschen zuerst auf die Jagd gehen oder Beeren und Pilze sammeln. So hat sich der Körper darauf eingestellt, längere Perioden ohne Nahrung zu überstehen.

Das Verdauungssystem braucht also Pausen?
Ja, denn wenn wir uns ständig Kalorien zuführen, kommt der Magen-Darm-Trakt nie zur Ruhe. Die andauernde Ausschüttung des Hormons Insulin, das den Blutzucker reguliert, fördert möglicherweise die Entstehung der Zuckerkrankheit im Alter (Diabetes Typ 2). Es gibt Hinweise, dass regelmässige Fastenperioden diverse positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Welche zum Beispiel?
Intervallfasten soll das Risiko für chronische und degenerative Erkrankungen des Nervensystems senken – diskutiert werden etwa Multiple Sklerose und Alzheimer. Zudem soll es die Zellalterung bremsen, die Erneuerung der Zellen fördern und die Wiederverwertung von altem Zellmaterial anregen (Autophagie). Weiter soll es entzündungshemmend wirken, den Blutdruck und die Cholesterinwerte senken, den Stoffwechsel beschleunigen sowie die Darmbakterien positiv beeinflussen, was bei der Gewichtsregulierung hilft.

Viele Menschen versuchen, mit Intervallfasten abzunehmen. Funktioniert das?
Die Ernährungsweise kann tatsächlich helfen, das Gewicht zu reduzieren – vorausgesetzt, die Energiebilanz stimmt. Wenn man in der verkürzten Zeit der Nahrungsaufnahme kompensiert und wahllos Essen in sich hineinschlingt, geht die Rechnung natürlich nicht auf. Bei manchen Menschen ist die Methode kontraproduktiv, weil sie Heisshungerattacken entwickeln. Man sollte also gut abwägen, ob Intervallfasten zur Persönlichkeit und zum Lebensstil passt. Eine Pauschallösung ist es sicher nicht.

Das Intervallfasten ist in den letzten Jahren zu einem
richtiggehenden Hype geworden. Sind die versprochenen Effekte wissenschaftlich erwiesen?
Die meisten Studien wurden bisher mit Mäusen durchgeführt. Es ist nicht sicher, ob die Resultate auf die Menschen übertragbar sind. Bei den meisten Studien mit Menschen war zudem die Anzahl der Probandinnen und Probanden tief. Meine Klientinnen und Klienten machen aber teilweise gute Erfahrungen mit Intervallfasten.

Was für Erfahrungen?
Ein Klient von mir fastet zum Beispiel jedes Jahr zehn bis vierzehn Tage und hält sein Gewicht mit der 5/2-Methode (siehe Box) das ganze Jahr hindurch stabil. Teilweise isst er etwas mehr am Wochenende und fastet dann vom Sonntagabend bis am Dienstagabend. Dies fällt ihm leicht und er fühlt sich sehr wohl dabei. In Kombination mit regelmässigem Training hat er mittlerweile weniger Rückenschmerzen und die Harnsäurewerte sind gesunken, weshalb Gichtanfälle seltener geworden sind. Auch seine Messwerte bei der Zusammensetzung des Körpers sind für einen Sechzigjährigen sehr gut: Der Anteil Muskeln, Wasser und Fett befinden sich im Optimalbereich.

Kann und soll man während des Fastens Sport treiben?
Wenn man abnehmen will, ist ein moderates Training sehr zu empfehlen, vorausgesetzt man fühlt sich wohl dabei. Denn so erhält der Körper einen zusätzlichen Reiz, Fettpolster als Energiequelle anzuzapfen. Von Leistungssport in Kombination mit Fasten wird hingegen abgeraten.

Worauf sollte man sonst noch achten, wenn man Intervallfasten ausprobieren möchte?
Nicht jeder Körper reagiert gleich. Es gibt Menschen, die sich ohne Frühstück einfach schwach fühlen und nicht leistungsfähig sind. Wenn man schlecht schläft, weil man auf das Nachtessen verzichtet hat, ist die Methode wohl ebenfalls nicht sinnvoll. Wer an einer Krankheit leidet, sollte sich zudem ärztlich beraten lassen. Bei Diabetes zum Beispiel kann Intervallfasten heikel sein. Schade wäre es zudem, wenn das Sozialleben unter dem Ernährungsstil leidet. Allzu viel Konsequenz und Verbissenheit sind nicht ratsam.

Haben Sie selbst Erfahrungen gemacht mit Intervallfasten?
Ja, ich habe die 8/16-Methode eine Weile ausprobiert. Auf das Nachtessen zu verzichten, war für mich schwierig. Deshalb liess ich jeweils das Frühstück weg und nahm die erste Mahlzeit gegen Mittag ein. Diese Erfahrung hat mir geholfen, meine Klientinnen und Klienten besser beraten und betreuen zu können.

«Intervallfasten soll das Risiko für
chronische und degenerative
Erkrankungen des Nervensystems senken.»

So schalten Sie Essenspausen ein

Intervallfasten kann man auf verschiedene Arten praktizieren. Jede Person muss für sich selbst herausfinden, was für sie am besten passt.

  • 16/8-Methode: Jeden Tag isst man nur während eines Zeitraumes von 8 Stunden. Man kann entweder das Frühstück oder das Abendessen auslassen oder z. B. um 10 Uhr ein spätes Frühstück einnehmen und um 17.45 Uhr ein frühes Nachtessen.
  • 14/10-Methode: Wenn 16 Stunden ohne Nahrung zu lange oder schlecht mit dem Alltag vereinbar sind, können auch bereits 14 Fastenstunden einen gewissen Effekt haben. So könnte man zum Beispiel um 9 Uhr frühstücken und um 19 Uhr abendessen.
  • 5/2-Methode: An fünf Wochentagen isst man normal, an zwei fastet man.
  • 6/1-Methode: An sechs Wochentagen isst man normal, an einem fastet man.
  • Alternate Day Fasting: Jeden zweiten Tag essen, jeden zweiten Tag fasten.

Wichtig ist bei allen Arten, dass man stets genügend trinkt. Kalorienfreie Getränke (Wasser, ungesüsster Tee, Kaffee ohne Milch) darf und soll man auch in der Fastenzeit zu sich nehmen. Zudem braucht der Körper genau gleich alle wichtigen Bestandteile einer gesunden Ernährung: Vitamine, Spurenelemente, Proteine, Ballaststoffe, wertvolle Öle und massvoll Kohlenhydrate.