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Kontaktlinsen – die unsichtbaren Sehhilfen

Kontaktlinsen sind beliebt und die Auswahl ist riesig. Im Interview beantwortet der Spezialist Stefan Erbrich der Augenarztpraxis Dr. Röscheisen aus Zürich die wichtigsten Fragen zu den kleinen Kunststoffschalen.

Bieten Kontaktlinsen Vorteile gegenüber einer Brille?

Stefan Erbrich: Ja, da Kontaktlinsen direkt auf der Hornhaut aufliegen, kommt es zu weniger Abbildungsfehlern im Vergleich zu einer Brille. Man sieht keinen lästigen Rahmen und kein Gewicht belastet den Nasenrücken. Ausserdem können Kontaktlinsen bei einem Temperaturwechsel nicht beschlagen und bieten gerade beim Sport Vorteile gegenüber der Brille.

Stefan Erbrich ist Optometrist in der Augenarztpraxis von Dr. med. Corina Röscheisen in Zürich.

Für welche Art von Fehlsichtigkeit eignen sich Kontaktlinsen?

Kontaktlinsen können bei jeder Form von Fehlsichtigkeit getragen werden, also bei Kurz- und Weitsichtigkeit, Hornhautverkrümmung oder Alterssichtigkeit. Kommt es nach einem Unfall, einer Krankheit oder Operation zu einer asymmetrischen Hornhautoberfläche, sind Kontaktlinsen oft das bessere Korrekturmittel als eine Brille. Allerdings eignet sich nicht jeder Linsentyp für jede Art von Fehlsichtigkeit.


Welche Kontaktlinsen gibt es?

Heute erfreuen sich Tauschsysteme grosser Beliebtheit. Dazu zählen Linsen, die man nur während eines Tages, 14 Tagen oder eines Monats trägt. Diese Linsen lassen sich im Gegensatz zu Drei-, Sechs- oder Zwölfmonatslinsen jedoch nicht individuell anpassen.
Kontaktlinsen werden in zwei grosse Gruppen unterschieden: in weiche und formstabile Linsen. Bei den weichen Linsen gibt es Produkte aus hydrogelem und silikonhydrogelem Material. Letztere werden von vielen bevorzugt, weil sie sauerstoffdurchlässiger sind als Linsen aus Hydrogel.
Formstabile oder harte Linsen bestehen aus festem Kunststoff, der einen Einfluss auf die Hornhautoberfläche haben kann. Dieser Effekt wird bei sogenannten Nachtlinsen ausgenutzt.

Welche Vorteile bzw. Nachteile haben Tageslinsen im Vergleich zu Monats- oder Jahreslinsen?

Der grosse Vorteil der Tageslinsen ist die Tatsache, dass man jeden Tag frische und hygienisch einwandfreie Linsen einsetzt. Man muss sich also nicht um die Reinigung und Desinfektion kümmern. Tageslinsen sind bei Menschen sehr beliebt, die viel reisen, da man keine Flüssigkeiten einpacken muss. Manche tragen sie nur bei speziellen Gelegenheiten, zum Beispiel beim Sport oder in der Freizeit.
Tageslinsen darf man wirklich nur einen Tag lang tragen. Monatslinsen muss man übrigens auch dann entsorgen, wenn man sie nicht jeden Tag getragen hat.
Der grosse Nachteil von Tageslinsen ist die horrende Menge an Abfall, die man produziert. Jede Linse ist einzeln in Kunststoff verpackt. Ausserdem ist die Parameterauswahl eingeschränkt. Grösser ist die Auswahl bei Monatslinsen oder individuellen Kontaktlinsen.

Wie lange dauert es, bis sich die Augen an die Kontaktlinsen gewöhnt haben?

Das ist unterschiedlich. Bei weichen Linsen kann die Gewöhnung sehr schnell gehen. Ich habe schon Patienten erlebt, die bereits nach dem Einsetzen der zweiten Linse die erste Linse nicht mehr gespürt haben. Manchmal dauert es aber auch wenige Tage.
Bei formstabilen Linsen kann es Tage bis Wochen gehen, bis man nichts mehr spürt.

Eignen sich Kontaktlinsen für alle Menschen?

Grundsätzlich ja. Die jüngsten meiner Patientinnen und Patienten sind sieben Jahre alt, die ältesten über 70. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass Trägerinnen und Träger in der Lage sind, die Kontaktlinsen selbstständig einzusetzen, zu reinigen und zu desinfizieren. Wer an trockenen Augen leidet, kann die Linsen meist nicht den ganzen Tag lang tragen.

Seit über zehn Jahren sind Nachtlinsen, sogenannte Ortho-K-Linsen, auf dem Markt. Was ist das?

Diese formstabilen Linsen werden nur nachts getragen und üben Druck und Zug auf die Hornhaut aus. Wenn die Linsen am Morgen entfernt werden, sieht man den ganzen Tag klar, weil die Fehlsichtigkeit über Nacht korrigiert worden ist.
Nachtlinsen wirken sich positiv auf die Kurzsichtigkeit aus. Sie können das Fortschreiten der Fehlsichtigkeit verlangsamen oder sogar stoppen. Meine über 400 Patientinnen und Patienten, die Nachtlinsen tragen, sind vom System überzeugt und geniessen es, tagsüber ohne Brille gut zu sehen.

Für wen sind Nachtlinsen geeignet?

Nachtlinsen eignen sich für Kurzsichtige mit einer Dioptrie von maximal 7 und Alterssichtige. Bei Weitsichtigkeit oder bei gewissen Hornhautverkrümmungen können sie nicht eingesetzt werden.
Nachtlinsen kann man ein Leben lang tragen. Wer sich aber plötzlich für eine Brille entscheidet, kann das problemlos tun. Werden Nachtlinsen nicht mehr getragen, kehrt der Ursprungszustand der Augen zurück.

Was ist bei der Linsenpflege zu beachten?

Ausser Tageslinsen müssen alle Kontaktlinsen gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Wir empfehlen zur Desinfektion Produkte auf Wasserstoffperoxid-Basis. Wer diese nicht verträgt, kann auf jodbasierte Produkte ausweichen. Bei der Reinigung unterscheiden sich die Produkte für weiche und formstabile Linsen. Die Wahl des Pflegemittels sollte immer mit dem Anpasser abgesprochen werden.

Zu welchen Problemen können Linsen führen?

Kontaktlinsen können vor allem dann zu Problemen führen, wenn sie nicht korrekt gereinigt und desinfiziert werden. Häufig sind Binde- oder Hornhautentzündungen die Folge. Das Auge fängt an zu schmerzen, sondert Sekret ab und kann lichtempfindlich werden. Zu Entzündungen kann es kommen, wenn die Linsen in Kontakt mit Wasser aus der Leitung, dem See oder Schwimmbad kommen. Bei Symptomen empfehle ich lieber einmal zu viel zur Kontrolle zu gehen, als etwas zu verpassen.
Probleme sind auch möglich, wenn formstabile Linsen nicht optimal an die Augenoberfläche angepasst sind und Reibung erzeugen. Mechanische Verletzungen, das Übertragen der Linsen und verschmutzte Kontaktlinsenbehälter können ebenfalls Infektionen auslösen.