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Licht beeinflusst Gesundheit und Psyche

Licht ist mehr als das Gegenteil von Dunkelheit. Vor allem das Sonnenlicht beeinflusst wesentlich unsere Gesundheit und die Psyche. Und es wird zum Taktgeber für die innere Uhr.

Seit Beginn der Erde vor über 3,5 Milliarden Jahren ist der natürliche Hell-Dunkel-Wechsel der regelmässigste Umweltreiz. Er hat auf der genetischen wie auch Verhaltensebene deutliche Spuren hinterlassen. Laut archäologischen Befunden nutzten unsere Ahnen vor etwa 500 000 Jahren erstmals offenes Feuer und somit auch Kunstlicht. Auch heute noch ist alles Leben auf der Erde dem Hell-Dunkel-Rhythmus von Tag und Nacht ausgesetzt. Dieser Rhythmus beeinflusst fast alle Funktionen im Körper. So ist zum Beispiel die Körpertemperatur am späteren Nachmittag am höchsten und zwischen drei bis fünf Uhr morgens am niedrigsten; das Dunkelhormon Melatonin steigt am Abend an, ist hoch während der Nacht und wird während des Tages kaum ausgeschüttet. Auch die Stimmung und Denkleistung verändern sich über den Tag und erreichen zwischen drei und fünf Uhr morgens ihr Minimum. Diese tageszeitlichen Veränderungen, geprägt vom Wechsel zwischen Tag und Nacht, werden von einem kleinen Hirnareal gesteuert, das wir auch unsere «innere Uhr» nennen. Damit diese innere Uhr funktioniert, braucht der Mensch die Hell-Dunkel-Signale von Tag und Nacht.

Orientierungshilfe zwischen den Tageszeiten

«Licht, und damit meine ich vor allem auch das Sonnenlicht, hilft uns bei der Orientierung zwischen dem Wach- und Schlaf-Rhythmus», sagt Dr. Ruta Lasauskaite, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Chronobiologie in Basel. Auf der körperlichen und psychischen Ebene hält uns das Sonnenlicht tagsüber wach und am Abend bereitet uns die abnehmende Helligkeit auf das Dunkel der Nacht und somit auf den Schlaf vor. Das Licht wird zum Taktgeber für die innere Uhr.

Sonne tut uns gut

Doch das Licht steht nicht nur für den Tag-Nacht-Rhythmus, es beeinflusst wesentlich auch die Gesundheit und das Wohlbefinden. «Leben wir nicht synchron mit dem Tag-Nacht-Rhythmus, sind wir nicht erholt. Dadurch schwächen wir unser Immunsystem», sagt Ruta Lasauskaite. Das Sonnenlicht, das über die Haut aufgenommen wird, fördert zum Beispiel die Produktion von Vitamin D. Dieses hat eine Schlüsselfunktion für die Gesundheit. Es ist an Tausenden von Regulierungsvorgängen in den menschlichen Körperzellen beteiligt. Folglich erhöht ein Vitamin-D-Mangel das Krankheitsrisiko erheblich – vor allem im Winter, wenn die Sonne in den nördlichen Regionen der Erde viel zu tief steht, um für die erforderliche UV-Strahlung zu sorgen.
Weiter kurbelt das natürliche Licht den Stoffwechsel an, regelt den Hormonhaushalt, das Immunsystem, den Zellstoffwechsel sowie Atmung, Puls und Körpertemperatur. Auch chronische Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Schuppenflechte (Psoriasis) oder die Weissfleckenkrankheit (Vitiligo) können mithilfe von Licht positiv beeinflusst werden. Man spricht in diesem Fall von Fototherapie.

Einfluss auf Leistung und Konzentration

Auf der psychischen Ebene beeinflusst das Licht die Stimmung, die kognitiven Fähigkeiten sowie die subjektive Wachheit des Menschen. «Die Lichtqualität beeinflusst unsere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit beim Arbeiten und Lernen», sagt Ruta Lasauskaite. Untersuchungen des Zentrums für Chronobiologie in Basel zeigten, dass Versuchspersonen eine Lernaufgabe vor einem mit Leuchtdioden (LED) mit vielen Blauanteilen bestückten Computerbildschirm besser lösten, als wenn sie die gleiche Aufgabe vor einem «normalen» Computerbildschirm ohne LEDs der gleichen Lichtstärke meistern mussten. Wie das Berliner Ergonomic Institut für Arbeits- und Sozialforschung herausgefunden hat, sind Mitarbeitende, die wenig Tageslicht abbekommen, unzufriedener und gesundheitlich anfälliger. Leuchten mit einem natürlichen Lichtspektrum lassen die Farben im Raum natürlich und klar erscheinen – wie im Tageslicht. Ihr Einsatz wird vor allem in Räumen empfohlen, die mit wenig oder ohne natürliches Licht auskommen müssen. Herkömmliche Leuchtstoffröhren hingegen fördern auch am Tage – entgegen der inneren menschlichen Uhr – die Produktion des Hormons Melatonin, das die Müdigkeit fördert. Auch das Stresshormon Cortisol gerät verstärkt in die Blutbahn. Das Resultat ist ein «Mix-Cocktail» aus körpereigenen Aufputsch- und Beruhigungsmitteln, der zu gesundheitlicher Beeinträchtigung und Leistungsabfall führt. Lichtfarbe mit einem stärkeren Blauanteil und erhöhter Helligkeit steigert indes die Leistung von Nachtarbeitern. Tagsüber wird ein sogenanntes biologisch wirksames Licht empfohlen, das dem Tageslichtspektrum mit seinem Blauanteil ähnelt und sich tageszeitgemäss in der Farbe anpassen lässt. Moderne dynamische Beleuchtungssysteme – zum Beispiel auf LED-Basis – simulieren das Tageslicht vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Sie sorgen für ein aktivierendes Licht am Tag, während zum Feierabend hin eher warme Töne angesagt sind.

Lichttherapie wirkt auf verschiedenen Ebenen

Ein Lichtimpuls von dreissig bis sechzig Minuten zur richtigen Tageszeit – vorzugsweise morgens – stabilisiert den Rhythmus, hat eine synchronisierende Wirkung und macht wach. Weil Licht antidepressiv wirkt, ist die Lichttherapie das Mittel erster Wahl bei der Behandlung von Winterdepressionen. Zudem zeigen neue Studien – so Ruta Lasauskaite –, dass Licht auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen, wie etwa saisonal unabhängigen Depressionen (auch während der Schwangerschaft), Essstörungen, ADHS, Persönlichkeitsstörungen, Parkinson-, Alzheimer- und anderen Demenzkrankheiten, antidepressiv und gegen die häufige Tagesmüdigkeit wirkt. Damit Licht therapeutisch auf die innere Uhr einwirken kann, braucht es eine hohe Intensität, vergleichbar mit dem natürlichen Licht (2500 bis 10 000 Lux). In der Lichttherapie schaut die Patientin bzw. der Patient täglich etwa für zwanzig bis sechzig Minuten in eine helle Lichtquelle. Wichtig ist, dass das Licht direkt auf die Netzhaut fällt. Ein direkter Blickkontakt mit der Lichtquelle ist allerdings nicht nötig. Immer wertvoll und gesundheitsfördernd ist das «Tanken» von natürlichem Tageslicht auch an trüben Tagen, weshalb ein täglicher Spaziergang von mindestens einer Stunde empfohlen wird.

Dr. Ruta Lasauskaite ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Chronobiologie in Basel.