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Sonne, Mond und Schlaf

Stört der Vollmond wirklich unseren Schlaf oder ist es nur eine Mär? Auch wenn es paradox klingt: Für einen gesunden, tiefen Schlaf ist die Sonne viel wichtiger.

Nicht immer garantiert ein gutes Gewissen ein gutes Ruhekissen. Auch unbescholtene Zeitgenossinnen und Zeitgenossen können klagen, bei Vollmond schlecht schlafen zu können. Doch an der Gravitation des Trabanten kann es nicht liegen.

Mücke gegen Mond

Mag der Mond die Ozeane in Bewegung versetzen und Flut und Ebbe bewirken: Die Kraft, die er auf Menschen ausübt, ist vernachlässigbar gering. Der amerikanische Astronom George O. Abell hatte ausgerechnet, dass die Gravitationskraft einer Mücke, die auf der Schulter eines Menschen landet, grösser ist als die des Mondes. Wenn Sie dieses Heft in den Händen halten, übt es eine tausendmal grössere Anziehungskraft auf Sie aus als der Mond. Doch was ist an den vielen Mythen im Volksglauben, dass der Mond Menschen den Schlaf rauben und ihre Gesundheit beeinflussen kann?

Nur ein Schubladenproblem?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Plank-Instituts für Psychiatrie in München nahmen ältere Veröffentlichungen unter die Lupe und fanden, dass viele Ergebnisse widersprüchlich sind. In ihrer 2014 publizierten Studie werteten sie Schlafdaten von 1265 Probandinnen und Probanden aus 2097 Nächten aus und «konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen». Acht Datensätze mit 23 600 Nächten mit negativen Ergebnissen standen zwei Datensätze mit 1209 Nächten gegenüber, die einen Einfluss der Mondzyklen auf das Schlafverhalten zeigten. Allerdings waren drei der negativen Studien nie voll publiziert worden. Die Praxis, negative oder unschlüssige Resultate nicht zu veröffentlichen, sei als «Schubladenproblem» der Wissenschaft, Medizin und Pharmazie bekannt, so die Autorinnen und Autoren der Studie.

Nicht nur Mondlicht hält wach

Neues Licht in die Streitfrage bringen konnte ein Forscherteam aus Argentinien und den USA mit einer Feldstudie. Mittels Handgelenkaktimetrie massen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Aktivität von indigenen Toba-Teilnehmenden, die sie in drei Gruppen gliederten. Die erste lebte in ländlicher Umgebung und hatte im Gegensatz zur zweiten keinen Zugang zur Elektrizität; die Teilnehmenden der dritten Gruppe waren 464 College-Studentinnen und -Studenten, die in einer amerikanischen Grossstadt lebten. Die Ergebnisse, so die Forschenden, deuten stark darauf hin, dass der menschliche Schlaf unabhängig vom ethnischen und soziokulturellen Hintergrund und vom Grad der Urbanisierung mit den Mondphasen synchronisiert ist. Zudem zeigte sich, dass Zugang zu künstlichem Licht zu einem späteren Schlafbeginn und einer kürzeren Schlafdauer führte.
Kurz: Es ist das Licht, das uns am Einschlafen hemmt, sei es das Mondlicht, das Licht von Lampen oder das von Monitoren. Es mag paradox klingen, doch Licht kann auch helfen, dass wir besser schlafen: das Sonnenlicht!

Taktgeberin Sonne

Nach der Mythologie der Griechen war es der Gott Helios (röm. Apollo), der mit seinem Sonnenwagen von Ost nach West fuhr und das lebensbringende Licht brachte. Apollon war auch der Gott der Heilkunst. Wir wissen heute: Sonnenlicht (UV-B) ist nicht nur wichtig für die Vitamin-D-Produktion in unserer Haut. Die Sonne ist auch eine wichtige Taktgeberin. Wie Ernährungspädagoge M. Nathaniel Mead festhält, verbessert das Sonnenlicht den Schlaf. Als Grund nennt er den Einfluss der Sonnenstrahlen auf die Melatoninproduktion. Dieses Hormon wird von der Zirbeldrüse gebildet und synchronisiert viele Rhythmen unseres Körpers mit den 24 Stunden von Tag und Nacht. Zudem hat es wichtige Funktionen beim Bekämpfen von Entzündungen, Infektionen, Autoimmunität und Krebs. Es zeigte sich: Wenn Menschen hellem Morgenlicht ausgesetzt waren, setzte die Bildung von nächtlichem Melatonin früher ein und der Schlaf war länger und tiefer.

Der Schlaf ist die beste Medizin.

Deutsches Sprichwort

Auch die Vorstufe des Melatonins, das Hormon Serotonin, wird durch das Tageslicht beeinflusst. Mead zitiert den Melatonin-Forscher Russel J. Reiter: «Gerade für Menschen, die in Innenräumen arbeiten, ist es wichtig, tagsüber regelmässig ins Freie zu gehen und zudem sollen wir alle versuchen, in völliger Dunkelheit zu schlafen: Beides kann einen grossen Einfluss auf den Melatoninrhythmus haben und zu einer Verbesserung der Stimmung, Energie und Schlafqualität führen.»

Tipps, um besser zu schlafen

  • Halten Sie sich viel im Freien auf. Tageslicht kurbelt die Bildung des Schlafhormons Melatonin am Abend früher an. Zehn bis fünfzehn Minuten ohne Sonnenbrille und nicht im Schatten genügen.
  • Schlafen Sie möglichst bei völliger Dunkelheit.
  • Meiden Sie vor dem Schlafen aufpeitschende Geschichten (Filme, Literatur).
  • Wenn Sie abends das Tablet oder Handy nutzen, aktivieren Sie den Nachtmodus. Denn das blaue Monitorlicht soll die Produktion von Melatonin hemmen.
  • Benutzen Sie das Bett nur zum Schlafen, sorgen Sie für eine kühle Zimmertemperatur (16 bis 18 Grad) und eine gute Lüftung.
  • Essen Sie abends früh und mässig. Verzichten Sie auf Koffein, Nikotin und Alkohol.
  • Finden Sie ein passendes Einschlafritual, beispielsweise einen Abendspaziergang; er hilft beim Verdauen und Abschalten.
  • Zu den Kräutern, die sich für einen Schlaftrunk eignen, zählen Baldrian, Hopfenzapfen, Johanniskraut, Kamille, Melisse, Lavendel, Passionsblume, Schafgarbe und Zitronenmelisse. Lassen Sie sich in der Apotheke beraten.