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Wechseljahre auf der Yogamatte

Wallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen sind typische Beschwerden, wenn der Hormonspiegel sinkt. In Yogastudios versuchen Frauen, ihre Beschwerden durch spezielle Übungen loszuwerden.

Auf der Yogamatte stehend, atme ich in schnellem Tempo durch die Nase: ein – aus – ein – aus –ein – aus. Der Bauch wölbt sich auf und ab, wie ein Blasbalg, mit dem man die Glut in den Kohlen anheizt. Dazu wippe ich in den Hüften im Takt hin und her. Atem und Bewegung zu koordinieren, ist für eine Anfängerin gar nicht so einfach. «Diese Aufwärmübung stimuliert die Eierstöcke», erklärt Madeleine Bachofner. Die Yogalehrerin aus Seuzach bei Winterthur hat sich zur Verfügung gestellt, der Autorin einen kurzen Einblick ins Hormonyoga zu geben. Durch die spezielle Technik sollen die weiblichen Geschlechtshormone, die in den Wechseljahren zurückgehen, wieder verstärkt ausgeschüttet werden. «Ein wahrer Jungbrunnen», ist Bachofner überzeugt.

Kraftvolles Atmen

Als nächstes sitzen wir uns auf die Gymnastikmatte und nehmen die Knie-Kopf-Haltung ein. Mit der rechten Hand halte ich das linke Handgelenk fest, weil sich hier gemäss Philosophie der chinesischen Medizin die Akupressurpunkte befinden, welche die Hormondrüsen anregen. Gleichzeitig halte ich mich mit der linken Hand an den Zehen des linken Fusses fest und wippe mit diesem auf und ab. In dieser zusammengeklappten Stellung soll ich nun wieder die Blasbalg-Bauchatmung mit dem klingenden indischen Namen Bhastrika ausführen. Ziemlich anspruchsvoll. «Spanne nun den Beckenboden an und lasse die Energie der Wirbelsäule nach aufsteigen bis in die Nasenspitze», weist die Yogalehrerin mit warmer Stimme an. «Lege die Zunge an den Gaumen und stelle eine Verbindung in den Kopf her.»

Energie für die Zukunft

Ähnliche Übungen folgen in diversen Variationen. Die meisten Haltungen sind den klassischen Yoga-Asanas nachempfunden: Schulterbrücke, Dehnung der Wirbelsäule im Drehsitz sowie diverse Umkehrhaltungen wie etwa die Kerze. Nach sieben raschen, kraftvollen Atemzügen enden sie stets mit dem Anspannen des Beckenbodens und der Konzentration auf eine bestimmte Hormondrüse. Die Bhastrikas würden uns mit viel Sauerstoff und Lebensenergie anreichern, erklärt Bachofner. Diese Kraft lasse man durch Visualisierung der ausgewählten Zieldrüse zukommen. Mit der Lenkung der Aufmerksamkeit ins Zwischenhirn zum Beispiel sollen die übergeordneten Drüsen Hypophyse und Hypothalamus stimuliert werden. Deren Hormone wiederum regulieren die Funktion der Schilddrüse, der Nebennierenrinde und der Geschlechtsdrüsen. Beim Anspannen des Beckenbodens gehe es nicht um eigentliches Beckenbodentraining, erklärt die Yogalehrerin, sondern darum, die aufgebaute Energie im Körper zu behalten. «Die Energie soll nicht durch die Körperöffnungen entweichen.» Die Nasenspitze sei als Punkt der Energiekonzentration definiert worden, weil sie am weitesten vorne ist. «Sie symbolisiert die Zukunft. Und gerade in den Wechseljahren haben viele Angst vor dem, was noch kommt.»

Selber hormonell gefordert

Die 53-Jährige praktiziert seit rund zwei Jahrzehnten selber Yoga und hat die vierjährige Ausbildung beim Verband Yoga Schweiz absolviert. Für die spezielle hormonstimulierende Form begann sie sich vor gut zehn Jahren aus persönlichen Gründen zu interessieren. Damals war sie in fortgeschrittenem Alter nochmals Mutter geworden, während ihre beiden ersten Kinder bereits in der Pubertät waren. «In der Familie war alles hormonell im Umschwung», lacht Bachofner. Zuerst befasste sie sich mit dem Thema Hormonyoga, indem sie das Buch von Dinah Rodrigues las. Die heute über 80-jährige Brasilianerin gilt als Erfinderin der speziellen Disziplin. Als Rodrigues in Deutschland war, fuhr Bachofner hin und liess sich von ihr persönlich einführen. «Die Lehrerin achtete streng auf eine saubere Ausführung», erinnert sich die Seuzacherin.

Von Brasilianerin entwickelt

Dinah Rodrigues hatte seit Jahren das eher ruhige, meditative Hatha-Yoga praktiziert und sich eingehend damit befasst. Nachdem ihr der Gynäkologe im Alter von 63 Jahren eine aussergewöhnlich gute Gesundheit bescheinigt hatte, entwickelte sie mit ihm zusammen das Hormonyoga, das unterdessen grosse Verbreitung gefunden hat. Es handelt sich um eine relativ bewegungsreiche Unterform des Yoga, die nach rund 35 Minuten mit einer Entspannung abschliesst. Hormonyoga soll bei Wechseljahrbeschwerden, unerfülltem Kinderwunsch und Stimmungstiefs vor der Menstruation (prämenstruelles Syndrom PMS) helfen. Und auch bei Männern, bei denen sich mit zunehmendem Alter der tiefere Testosteronspiegel bemerkbar macht, kann eine spezielle Form von Hormonyoga Wirkung zeigen. Zurückhaltung ist bei Schwangerschaft, hormonell bedingten Krebserkrankungen und einigen anderen Krankheiten geboten. Interessierte sollten einen Kurs besuchen, in dem sie die präzise Ausführung erlernen, und danach selbstständig mindestens dreimal pro Woche üben.

Gute Rückmeldungen

«Am Anfang habe ich gedacht: So ein Blödsinn!», gibt Madeleine Bachofner zu. «Doch es funktioniert.» Von ihren Kursteilnehmerinnen erhalte sie stets positive Rückmeldungen. Viele geben an, dass sie mit regelmässigem Praktizieren weniger unter Wechseljahrbeschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen leiden. Zuweilen soll sogar die Menstruation wieder einsetzen bei Frauen, die schon länger keine Blutungen mehr hatten. Und bereits dreimal hat Bachofner erlebt, dass Frauen mit einem bisher unerfüllten Kinderwunsch schwanger geworden sind.

Yoga mindert Stress

Wie stark Hormonyoga aufgrund der spezifischen Übungen per se wirkt oder ob dabei eher der Placeboeffekt mitspielt, ist umstritten. «Aus schulmedizinischer Sicht ist der Effekt von Hormonyoga nicht erwiesen», stellt Artemis Papandreou, Endokrinologin am Hormon Zentrum Zürich der Klinik Hirslanden, klar. Es gebe dazu nur wenige Studien, die zudem wegen einer kleinen Anzahl Probanden nicht aussagekräftig seien. Gesichert sei hingegen, dass man mit Atemtechniken Emotionen wie zum Beispiel Stress beeinflussen könne, sagt Papandreou. Yoga könne den Cortisolspiegel, der bei Stress erhöht ist, senken. Aber auch andere körperliche Aktivitäten wie etwa Laufen hätten einen Einfluss auf den Hormonstatus. «Sich bewegen, Sport treiben, tanzen, gärtnern und andere Aktivitäten sind in jedem Fall sinnvoll und manchmal auch heilend.»