Zahnersatz mit einem Implantat: Das sitzt!
Heute lässt sich ein verlorener Zahn in vielen Fällen durch ein Implantat ersetzen. Was es vor und nach dem Einsetzen zu beachten gilt, erklärt der Spezialist Ronald Jung im Interview.
Prof. Dr. med. dent. Ronald Jung, PhD, ist Fachzahnarzt und Klinikdirektor der Abteilung für Rekonstruktive Zahnmedizin am Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Implantat gesetzt werden kann?
Prof. Dr. med. dent. Ronald Jung: Wer sich für ein Implantat entscheidet, muss dafür optimale Bedingungen schaffen, also die Zähne und Zahnzwischenräume täglich sehr gut reinigen, regelmässig zur Zahnkontrolle und alle sechs bis zwölf Monate zur Dentalhygienikerin gehen.
Zwar kann ein Implantat nicht von Karies oder Wurzelproblemen befallen werden, aber Bakterien können bei ungenügender Mundhygiene zwischen dem Zahnfleisch und dem Implantat hinunterwandern und eine Entzündung verursachen. Unsere Mundhöhle ist wie ein Swimmingpool. Besteht eine Entzündung an einem Zahn, können die dafür verantwortlichen Bakterien auch andere Zähne befallen. Entzündungen können im schlimmsten Fall zum Verlust eines Zahns oder Implantats führen.
Wann ist die Gefahr einer Entzündung erhöht?
Das Risiko für Entzündungen ist bei Patientinnen und Patienten, die rauchen oder an einer Parodontitis, also einer Zahnfleischentzündung leiden, um ein Zehn- bis Fünfzehnfaches erhöht. Menschen, die in der Vergangenheit einmal von einer Zahnfleischentzündung betroffen waren, sind empfänglicher für Bakterien, die diese Entzündungen verursachen.
Beim Einsetzen eines Implantats handelt es sich nicht um einen rein mechanischen, sondern vor allem um einen biologischen Prozess. Nur bei optimalen Verhältnissen kann ein Implantat gut in den Knochen einwachsen und langfristig seine Funktion erfüllen.
Wie lange sollte man nach dem Ziehen eines Zahns mit einem Implantat abwarten?
Das ist individuell. Es gibt heute die Möglichkeit, ein Implantat sofort nach dem Ziehen eines Zahns einzusetzen. Das ist aber sehr anspruchsvoll. In vielen Fällen wartet man zwei bis drei Monate, bis das Gewebe gut verheilt ist. Wartet man länger als sechs Monate, baut sich der Knochen oft stark ab, weil er durch den fehlenden Zahn nicht mehr belastet wird. Für den Erhalt des Knochens braucht es aber einen Stimulus.
Um den Knochenabbau zu verhindern, empfiehlt sich ein Knochenaufbau direkt nach dem Ziehen des nicht mehr zu rettenden Zahns. Durch diese Massnahme geht meist nur circa 15 Prozent des Knochens verloren.
Was ist, wenn nicht genügend Knochen vorhanden ist?
Dann gibt es zwei Optionen. Durch Einsetzen von Knochenersatzmaterial entsteht ein 3-D-Gerüst, das die eigenen Knochenzellen durchwachsen können. Zusätzlich wird eine sich selbst auflösende Membran über das Knochenersatzmaterial gelegt, damit das darüberliegende Weichgewebe «ausgeschlossen» wird und der Knochen genügend Zeit hat, den fehlenden Anteil zu regenerieren. Heute stehen Materialien aus Tierknochen oder synthetische Alternativen zur Verfügung, wobei sich Letztere als weniger effizient erwiesen haben.
Wenn sehr viel Knochen fehlt oder jemand tierisches Material ablehnt, besteht die Möglichkeit der Eigenknochen-Transplantation. Dabei entnimmt man zum Beispiel an einer anderen Stelle im Mund oder an der Hüfte Knochen.
Aus welchen Materialien werden Implantate produziert?
Heute wird vor allem Titan verwendet, das vom Körper gut vertragen wird und äusserst belastbar ist. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass 92 Prozent der Titanimplantate 25 Jahre nach dem Einsetzen immer noch in einem guten Zustand sind.
Implantate aus Keramik werden immer beliebter. Da verfügen wir aber noch über wenig Langzeiterfahrung.
Welche Probleme können beim Einsetzen von Implantaten auftreten?
Es kann sein, dass erst während des Eingriffs festgestellt wird, dass zu wenig Knochen vorhanden oder dieser zu weich ist. Manchmal sind die Platzverhältnisse ungünstig, zum Beispiel der Abstand zum Nerv oder zur Kieferhöhle zu gering.
Wie bei jeder Operation ist eine Infektion möglich oder die Naht kann aufgehen. Deshalb sind die präventive Gabe von Antibiotika und eine Kontrolle nach dem Einsetzen des Implantates wichtig.
Ich rate davon ab, ein Implantat im Ausland einsetzen zu lassen. Das Einsetzen eines Implantats muss gut geplant werden und die Einheilung des Zahnersatzes braucht Zeit. Das ist also keine Frage von wenigen Tagen. Auch das Vertrauen zur Fachperson ist essenziell. Eine Behandlung im Ausland ist riskant. Geht etwas schief, kann der vermeintlich günstige Deal schnell auch finanziell zum Albtraum werden.
Bei ungenügender Mundhygiene kann es Monate oder Jahre nach dem Einsetzen eines Implantats zu Entzündungen kommen, die zum Verlust des Implantats führen können.
Gibt es Alternativen zum Implantat?
Ja, wenn zu wenig Knochen vorhanden ist und die Nachbarzähne bereits mit einer Krone oder Füllung versorgt sind, ist eine Brücke eine gute und weniger invasive Alternative.
So wird ein Implantat eingesetzt
Falls genügend Kieferknochen vorhanden ist, wird das Zahnfleisch eröffnet, ein Loch in den Kieferknochen gebohrt, eine Schraube aus Titan eingesetzt und die Mundschleimhaut mit einer Naht ganz oder teilweise verschlossen. Ist zu wenig Knochen vorhanden, wird dieser künstlich aufgebaut. Nach zwei bis sechs Monaten ist die Schraube fest im Kieferknochen eingewachsen. Nun wird das Zahnfleisch wieder eröffnet und eine Einheilkappe auf die Schraube montiert, die den Zahnfleischsaum für den zukünftigen Zahnersatz vorbereitet. Innerhalb von wenigen Tagen umschliesst das Zahnfleisch die Kappe wie bei einem natürlichen Zahn. Die Einheilkappe wird mit einem Abformpfosten ersetzt und es wird ein Abdruck zur Vorbereitung des neuen Zahns gemacht. Im Zahntechniklabor wird die Zahnkrone individuell und nach Mass angefertigt. Im letzten Schritt wird die Zahnkrone aufgesetzt.