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Venenerkrankung: Sitzen und Stehen sind Gift

Schwere Beine, Krampfadern und Besenreiser: Sobald es warm wird, machen sich Venenerkrankungen wieder stärker bemerkbar. Ein Facharzt erklärt, wann eine Behandlung angezeigt ist.

Andrea Söldi im Gespräch mit Dr. med. Jürg Traber, Direktor der Venenklinik Bellevue in Kreuzlingen

Wieso fühlen sich die Beine im Sommer häufig müde und schwer an?

Bei höheren Temperaturen weiten sich die Venen, um mehr Wärme abführen zu können. Dadurch tritt mehr Flüssigkeit ins Gewebe aus, ganz besonders wenn die Venen geschwächt sind. Man kann sich das vorstellen wie einen Kaffeefilter aus Papier: Je grösser die Poren, desto schneller läuft der Kaffee hindurch. Schon kleinere Mengen an Wasser im Gewebe können zu einem Schweregefühl führen. Manche leiden auch im Winter darunter, zum Beispiel wegen Bodenheizungen.

Wenn man wieder kurze Hosen oder Jupes trägt, kommen bei einigen Menschen Krampfadern zum Vorschein. Wie kommt es zu den unschönen, bläulich-verschlungenen Blutgefässen?

Meist tragen genetische Veranlag­ungen zu einer Venenschwäche bei. Auch hormonelle Veränderungen können das Bindegewebe schwächen – bei Frauen vor allem in der Schwangerschaft oder mit der Verhütungspille. Ein häufiger Grund ist aber auch Bewegungsmangel. Denn die Anspannung der Wadenmuskeln unterstützt den Rücktransport des Blutes zum Herzen. Wenn dies mangelhaft funktioniert, steigt der Druck auf die Venenwände und diese beginnen sich zu überdehnen. Die Venenklappen können nicht mehr richtig schliessen. Durch den andauernden Blutstau kommt es zuerst zu Ödemen – häufig an den Knöcheln – und mit der Zeit zu Krampfadern.

Wenn sich eine Venenschwäche ankündigt,
sind Kompressionsstrümpfe sehr hilfreich,
um eine Verschlechterung zu vermeiden

Welche Beschwerden können Krampfadern verursachen?

Oft spüren Betroffene lange nicht viel davon. Doch die Krankheit schreitet mit der Zeit voran. Neben dem Schweregefühl in den Beinen kann es zu Juckreiz und Druckgefühl kommen. Nachts können unruhige Beine oder Krämpfe auftreten.

Sollte man Krampfadern also behandeln?

Das empfiehlt sich schon, obwohl sie nicht lebensgefährlich sind. Denn sie können dazu führen, dass die Beine weniger gut durchblutet werden. Wenn man sich verletzt, muss man mit einer schlechten Wundheilung rechnen. Im schlimmsten Fall kommt es zu offenen Beinen mit chronischen Wunden und Entzündungen. Eine weitere Gefahr ist die Varizenblutung, die zu einem erheblichen Blutverlust führen kann. Zudem steigt das Risiko für Thrombosen leicht an. Deshalb sollte man Krampfadern auch bei älteren Personen operativ entfernen, mit Hitze verschliessen oder medikamentös veröden.

Kann der Körper diese Blutgefässe einfach entbehren?

Ja, denn zum Glück stehen für den Rücktransport des Blutes zahlreiche Gefässe zur Verfügung. Es ist wie im Verkehr: Wenn die Autobahn oder eine Hauptstrasse blockiert ist, kann man auf eine Nebenstrasse ausweichen. Im Blutkreislauf funktioniert die Umleitung sogar besser, wenn der Rückstau von der kranken Vene her wegfällt.

Wie kann man Venenkrankheiten vorbeugen?

Wenn sich eine Venenschwäche ankündigt, sind Kompressionsstrümpfe sehr hilfreich, um eine Verschlechterung zu vermeiden. Wichtig ist, dass man hochwertige Modelle verwendet, die in Kompressionsklassen eingeteilt sind. Das Problem ist, dass sie nicht sehr angenehm sind, besonders im Sommer. Zusätzlich haben ältere Menschen häufig Mühe, die engen Strümpfe anzuziehen. Eine gute Prävention ist natürlich auch viel Bewegung. Langes Sitzen und Stehen sind Gift für die Beinvenen.

Was ist von medikamentösen Mitteln zu halten?

Es gibt eine Vielzahl von Pillen und Salben, die eine Stärkung der Venen versprechen – viele auf pflanzlicher Basis. Einige davon helfen, die Schwellung in den Beinen und somit das Druckgefühl zu lindern. Ein Versuch lohnt sich bestimmt – am besten in Kombination mit genügend Bewegung und eventuell Kompressionsstrümpfen.

Besenreiser sind kein schöner Anblick. Was ist das genau?

Es handelt sich eigentlich um Mini-Krampfadern an oberflächlichen, winzigen Gefässen, häufig in den Kniekehlen oder an den Unter­schenkeln. Sie verursachen keine Beschwerden, ausser dass es bei einer Verletzung etwas mehr bluten kann. Manchmal sind Besenreiser aber auch ein Hinweis auf eine beginnende Venenerkrankung. Eine ärztliche Abklärung ist deshalb ratsam. Viele Betroffene stören sich zudem an den rot-bläulichen Hautflächen und wollen sie aus ästhetischen Gründen entfernen lassen.

Wie wird man Besenreiser los?

Die Behandlung erfolgt am besten durch Einspritzen eines Verödungsmittels. Je nach Farbe kann auch eine Laserbehandlung angezeigt sein. Bis die Äderchen verschwinden, dauert es eine gewisse Zeit und leider können Besenreiser das ganze Leben lang immer wieder entstehen. Doch vielen Betroffenen hilft die Behandlung, sich wieder viel unbeschwerter in der Badi zu zeigen. ‹

Fussturnen bei langem Sitzen

In der Ferienzeit kommt es vermehrt zu sogenannten Reisethrombosen. Nach langem Stillsitzen im Flugzeug oder Zug wird der Rücktransport des Blutes zum Herz träge, weil die Anregung der Wadenmuskulatur wegfällt. Mit der Zeit kann sich in einer Beinvene ein Klumpen bilden, der das Gefäss verstopft. Dies äussert sich durch Anschwellen des Beins, Erwärmung und Spannungsgefühl. Während der Reise sollte man deshalb die Füsse in Bewegung halten und die Muskelpumpe aktivieren. Zum Beispiel hebt man abwechselnd die Zehenspitzen und Fersen vom Boden ab oder versucht, mit den Zehen eine Zeitung zu zerknüllen. Auch genügend trinken ist wichtig, um das Blut dünnflüssig zu halten – am besten Wasser oder Tee. Zudem muss man dann zwangsläufig regelmässig aufstehen, um auf die Toilette zu gehen.