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Vergesslichkeit im Alter: Fit im Kopf?

Mit zunehmendem Alter beklagen sich viele Menschen über Vergesslichkeit. Dr. Barbara Studer, Neurowissenschaftlerin der Universität Bern, erklärt im Interview, was unserem Hirn guttut und wie sich das Gedächtnis trainieren lässt.

Handelt es sich bei der Vergesslichkeit im Alter um einen normalen biologischen Prozess?
Dr. Barbara Studer:
Zu einem gewissen Teil ja. Mit zunehmendem Alter kommt es zu Veränderungen im Hirn. Heute wissen wir aber, dass die Unterschiede der Gedächtnisleistung bei älteren Menschen grösser werden und stark vom Lebensstil abhängen. Menschen, die körperlich inaktiv sind, unter mentalen Problemen leiden, rauchen, sich ungesund ernähren, zu wenig schlafen und ihr Hirn ungenügend herausfordern, haben öfters ein schlechteres Gedächtnis und sind häufiger von Demenz betroffen. Das heisst nicht, dass Gedächtnispro­bleme oder demenzielle Erkrankungen nur selbst verschuldet sind.

Was geschieht im Hirn, wenn Menschen vergesslich werden?
Es kommt zu Veränderungen in bestimmten Bereichen, die für das Gedächtnis essenziell sind. Ein inaktiver Lebensstil beispielsweise führt zu einer reduzierten Durchblutung und zu einer Abnahme von Nervenzellen im Hippocampus, wo sich neue Erinnerungen bilden und verknüpfen. Jedoch genauso wird der vordere Teil des Hirns, der für die Aufmerksamkeit und den Arbeitsspeicher – auch Kurzzeitgedächtnis genannt – verantwortlich ist, beeinträchtigt. Die abnehmende Flexibilität des Hirns ist mit Vergesslichkeit und einem Rückgang der kognitiven Reserven verbunden. Vergesslichkeit kann aber ebenfalls durch neurologische Erkrankungen verursacht werden.

Was wirkt sich im Alltag positiv aufs Gehirn aus?
Neugier und alles, was das Hirn aktiviert und positiv stimuliert. Wer körperlich in Bewegung bleibt, fördert den Stoffwechsel, die Durchblutung sowie die neuronale Aktivierung im Hirn. Soziale Aktivitäten tun uns gut und wirken sich ebenfalls stimulierend aus, weil wir im Kontakt mit anderen Menschen hinhören, verstehen und kommunizieren müssen. Bezüglich der Hirnleistung gilt: «Use it or lose it». Mit anderen Worten: Unser Hirn braucht Herausforderungen. Diese können wir ihm im Beruf, durch soziales Engagement, Hobbys und lebenslanges Lernen bieten. Heute wissen wir, dass eine Frühpensionierung das Demenzrisiko erhöht, wenn man sich keinen Herausforderungen mehr stellt.

«Wer körperlich in
Bewegung bleibt,
fördert den Stoffwechsel, die Durchblutung
sowie die neuronale
Aktivierung im Hirn.»

Welche Hobbys fördern unser Gedächtnis?
Die meisten Hobbys wirken sich positiv auf unsere Gehirngesundheit aus, vor allem wenn sie abwechslungsreich und nicht monoton sind. Die beste Sportart fürs Hirn ist das Tanzen. Aber auch Lesen, Sprachenlernen, kreative Betätigungen, Schreiben und Musikhören oder -machen stimulieren die neuronalen Netzwerke. Gesellschaftsspiele, Jassen, Sudoku oder Kreuzworträtsel fordern das Gehirn ebenfalls heraus. Eine Vielfalt von Tätigkeiten ist besonders gewinnbringend.

Welchen Einfluss hat die Ernährung?
Einen grossen. Das Hirn profitiert von viel frischem Gemüse und Obst, wenig Zucker und wenig verarbeiteten und fettigen Lebensmitteln. Speziell gut sind Fisch und Nüsse, die reich an Omega-3-Fettsäuren sind, sowie Hülsenfrüchte. Beeren enthalten viele Antioxidantien, die Entzündungen im Körper entgegenwirken, was das Demenzrisiko reduziert. Zusätzlich ist der Konsum von Olivenöl und viel Trinken von Wasser oder ungesüsstem Tee für die Hirngesundheit förderlich. Bei rotem Fleisch und Alkohol ist Zurückhaltung angesagt. Ideal ist, täglich möglichst viele Farben auf den Teller zu bringen.

Ist ein gutes Gedächtnis eine Frage des Trainings oder der Gene?
Dass das Hirn sich lebenslang trainieren lässt, ist wissenschaftlich erwiesen. Der genetische Einfluss auf die Gedächtnisleistung liegt bei gerade mal ca. 30 Prozent. Ein gesunder und aktiver Lebensstil kann das Demenzrisiko um bis zu 40 Prozent reduzieren. Wichtig ist hingegen auch die richtige Einstellung: Menschen, die ihrem Hirn zutrauen, ebenfalls im Alter noch Neues zu lernen und sich neuen Erfahrungen stellen, können bei gesundem Lebensstil die gesunden Jahre um sieben bis 14 Jahre verlängern.

Sie bieten ein ganzheitliches Hirntraining an. Was ist das?
Auf unserer Plattform www.hirncoach.ch bekommt man wöchentlich neue Übungen aus verschiedenen Bereichen der Gehirngesundheit, so zum Beispiel Gedächtnis, Koordination, Kreativität und soziale Interaktionen. Wissens­impulse, persönliche Feedbacks, die Vernetzung mit anderen Usern oder live Webinare runden das Angebot ab. Unser wissenschaftlich fundiertes
Programm stärkt die Gehirngesundheit ganzheitlich. Das Programm kann kostenlos getestet werden.

Was lässt sich mit ganzheitlichem Hirntraining erreichen?
Man baut damit die kognitive Reserve auf, d. h. die Fähigkeit des Gehirns, dass es trotz Schädigungen oder Abnutzung länger leistungsfähig bleibt. Zudem verbessert es die Lebensqualität, das Gedächtnis und die Konzentration. Wer sein Hirn mit viel Neugier auf Trab hält, hat mehr Freude am Leben. Letztlich wollen wir ja nicht einfach länger leben, sondern mehr Leben in die Jahre integrieren.

Mittel fürs Hirn

Diese Produkte können sich positiv auf die Gedächtnis- und Gehirnleistung auswirken:

  • Ginko biloba
  • Panax ginseng
  • Curcuma longa (Curcumin)
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Phosphatidylserin
  • Vitamin E

Diese Mittel wirken nicht bei allen Menschen gleich gut. Sie können die Hirnleistung unterstützen. Am wichtigsten für das Gedächtnis ist jedoch ein gesunder und aktiver Lebensstil.