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Wechseljahre und Gewichtskontrolle

Wenn während der Wechseljahre bei einer Frau das Gewicht ansteigt, hat dies nicht mit der mangelhaften Funktionstüchtigkeit der Waage zu tun. Um was es geht, weiss die Basler Frauenärztin Dr. med. Andrea Niggemann-Brunner.

Frau Dr. Niggemann, machen sich Ihre Patientinnen in der Wechseljahrphase wegen ihrer Gewichtszunahme Sorgen oder stehen andere Probleme im Vordergrund?
Dr. med. Andrea Niggemann-Brunner*: Gewichtszunahme ist für Frauen in den Wechseljahren ein ganz wichtiges Thema, auf das mehr als die Hälfte meiner Patientinnen von sich aus zu sprechen kommt. Die Frauen haben entweder schon zugenommen oder aber sie haben Angst vor einem Anstieg des Gewichts. Selbstverständlich kommen auch andere Probleme zur Sprache. Zu den häufig angesprochenen Themen gehört beispielsweise auch die Trockenheit der Schleimhaut.

Landläufig ist man der Meinung, die Hormone seien die Ursache für den Anstieg des Gewichts während des Klimakteriums. Ist tatsächlich die hormonelle Umbauphase der Grund?
Hier geht es nicht um einen einzigen Auslöser, sondern um mehrere Gründe. Wir wissen, dass das Hormon Progesteron den Stoffwechsel aktiviert. In der Menopause vermindert sich die Progesteronproduktion und deshalb verringert sich auch die Stoffwechselaktivität. Bleibt die Aufnahme der Nahrungsmenge trotz der veränderten Stoffwechselsituation gleich hoch wie bisher, ist eine Gewichtszunahme die klare Folge. Kommt dazu, dass sich bei jedem Menschen mit zunehmendem Alter der Grundumsatz verändert. Diese Veränderung beginnt schon Mitte dreissig und im Verlaufe der Jahrzehnte stellt man fest: «Hoppla, da ist gewichtsmässig etwas passiert.» Fazit: Der sich altersgemäss verringernde Grundumsatz und der plötzliche Abfall der Progesteronproduktion tragen vereint dazu bei, dass das Gewicht ansteigt.

Dann würde das ebenso einleuchtende wie einfache Rezept für die Wechseljahrfrau lauten: «Reduziere deine Nahrungszufuhr bzw. deine tägliche Kalorienmenge?»
Ja. Oder aber der Rat könnte dahin gehen: «Sorge dafür, dass mit mehr sportlicher Bewegung Kalorien verbraucht werden.» Empfehlenswert ist unter Umständen auch die Umstellung auf eine niedrigkalorische Ernährung. Ernährungsumstellung bedeutet selbstverständlich nicht, dass frau zu hungern beginnen sollte, um dann womöglich in einen Hungerstoffwechsel zu geraten.

Raten Sie Ihren Wechseljahrpatientinnen zuweilen zu einer Ernährungsberatung?
Es kann durchaus sinnvoll sein, einmal mit professioneller Unterstützung abzuklären, wie viel und was man isst und ob man genügend Nährstoffe zu sich nimmt – etwa Kalzium, das für die Knochengesundheit wichtig ist. Osteoporose, die schleichende Erkrankung der Knochen, ist nach den Wechseljahren leider häufig ein Thema.

Werden Frauen manchmal zu Frustesserinnen, weil sie sich insgeheim vor dem nahenden Alter oder dem angeblichen Verlust ihrer Attraktivität fürchten?
Manche Patientinnen erzählen von derartigen Anwandlungen, andere wieder wollen sich mit dem Essen einfach etwas Gutes tun. Aber das Bedürfnis nach Wohlbehagen wird nicht immer über das Essen befriedigt – es kann auch mit dem Kauf eines hübschen Pullovers, mit freundschaftlichen Gesprächen oder einem Wellnesswochenende mit einer Freundin gestillt werden. Der Belohnungs- und Entspannungsmodus muss also nicht so verlaufen, dass die Frau im Frust an einem Abend gleich drei Tafeln Schokolade aufs Mal aufisst, sondern er kann ganz andere Wege finden.

Bei vielen Krankheitsbildern wird auf die negativen Folgen des Übergewichts hingewiesen. Sind während der Wechseljahre beispielsweise oft auch Wasserstauungen, etwa in den Beinen, bei einer Gewichtszunahme beteiligt?
Eher selten. In diesem Zusammenhang spielt nicht die Hormonsituation mit, sondern es kann sich um eine Erkrankung des Herzens handeln, die den Rückstau und allenfalls Schwellungen hervorruft. Dieser Vorgang hat also nichts mit der hormonellen Umstellung in den Wechseljahren zu tun. Hormonelle Einflüsse können jedoch bei jüngeren Frauen, die die Pille nehmen, zu einer Gewichtszunahme von etwa zwei Kilogramm führen.

Kommt es häufig vor, dass Frauen im Klimakterium im Internet irgendwelche Medikamente oder Heilmittel bestellen, die ihnen jugendliche Energie, straffe Haut und vor allem eine schlanke Figur versprechen?
Aber ja, dies lässt sich nicht nur bei Frauen in den Wechseljahren, sondern ganz allgemein bei Frauen beobachten. Wird die Gewichtszunahme im Klimakterium zum Problem, steigt der Anreiz, sich derart Erfolg versprechende Produkte zu kaufen. Abgesehen davon, dass immer mit Nebenwirkungen zu rechnen ist: Häufig bringen diese Mittel rein gar nichts – und einzig der Geldbeutel verliert Gewicht.

Befassen sich Patientinnen, die sich dem vierzigsten Altersjahr nähern, mit Gedanken an die Wechseljahre und allenfalls mit präventiven Massnahmen?
Für eine jüngere Frau sind die Wechseljahre verständlicherweise eine noch sehr fernliegende Lebensphase, die wirklich nicht im Vordergrund des Interesses steht. Ich stelle jedoch fest, dass auch bei jungen Frauen das allgemeine Gesundheitsbewusstsein immer stärker wächst. Viele junge und noch junge Frauen versuchen, sehr gesund zu leben, sich mehr zu bewegen, Sport zu treiben und das Gewicht zu halten. Auch bei Dreissigjährigen ist gesunde Lebensweise hoch im Kurs.Zum aktiven Umgang mit dem Thema Gesundheit gehört im Übrigen auch der Trend zur veganen Ernährung.

Ob in der Wechseljahrphase oder ganz allgemein: Geht es um Gesundheit und Gewichtskontrolle, wird unweigerlich Sport empfohlen. Sind da exzessives Jogging oder ein extremes Leistungsprogramm zielführend?
Nein, es geht nicht um leistungsorientierte sportliche Aktivität, folglich weder um Marathon noch um verrücktes Stemmen von Gewichten. Derzeit sehr im Trend sind Yoga oder Pilates – also Bewegungsformen, die mit Körperbewusstsein und überdies mit mentaler Gesundheit vergesellschaftet sind.

* Frau Dr. med. Andrea Niggemann-Brunner ist Spezialärztin für Gynäkologie mit einer Praxis in Basel. Als Fachärztin für Geburtshilfe arbeitet sie überdies als Belegärztin am Bethesda-Spital Basel. In ihrem Praxisalltag strebt sie eine altersunabhängige «Von-Frau-zu-Frau-Begegnung» an.